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Brandwache

Brandwache

Titel: Brandwache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Himmel starrten. Und sie waren auch
die einzigen, die keine T-Shirts mit der Aufschrift »Eklipse
’79« in psychedelischem Orange und Gelb trugen.
    Die vier Männer, die auf der anderen Straßenseite
gingen, waren eindeutig keine Einheimischen. Sie sprachen alle vier
gleichzeitig und deuteten dabei aufgeregt in den Himmel. Wissenschaftler, dachte Meg. Wissenschaftler konnte man immer
gleich erkennen. Ihre Hosen waren auffallend kurz. Diese vier sahen
alle gleich aus: kurze schwarze Hosen, kurzärmelige Hemden, in
deren Taschen Stifte, Metallklammern und je ein flacher
Taschenrechner staken. Kurze, rötliche Haare und Brillen mit
schwarzen Gestellen.
    Die Leiter von vier wissenschaftlichen Abteilungen irgendwo, dachte Meg. Typische Vertreter der Spezies americanus
scientificus. Sie sprachen offenbar über das Wetter und
stießen gestenreiche Drohungen gegen den Himmel aus, obwohl er
sich vollkommen klar präsentierte, soweit Meg erkennen konnte.
Zugleich schien ihnen das Wetter nichts auszumachen, da sie bei
zwanzig Grad Kälte in Hemdsärmeln herumliefen. Einer war
wie für eine Sonnenfinsternis auf Hawaii in ein orangefarbenes
Hemd mit Blumenmuster gekleidet. Sie hätte vermutet, daß
sie sich am völlig falschen Ort befänden, wenn nicht Richs
Mantel noch über die Rückwand der Telefonzelle gehangen
hätte.
    Da kamen die Männer zurück. Rich brachte ein T-Shirt
für Laynie mit. Sie weigerte sich, es anzuziehen.
    »Ich denke, ich bringe sie besser ins Motel zurück,
damit sie ein Nickerchen macht«, bemerkte Meg. »Sie ist
ziemlich erschöpft.«
    Rich nickte. »Du hast kein Klebeband mitgenommen, oder? Ein
paar Burschen in der Handelskammer sagten, ein Stück Pflaster
auf dem Auge würde es erleichtern, die Korona zu sehen, wenn die
Finsternis total ist.«
    »Vielleicht ist noch ein Drugstore geöffnet«, sagte
Paulos. »Der Vortrag fängt um zwei Uhr dreißig an.
Wir finden bestimmt einen offenen Drugstore.«
    »Wie wäre es, wenn wir dich bei dem Vortrag
träfen?« sagte Rich. Er gab Meg den Schlüssel zum
Motelzimmer und zog wieder los; diesmal dachte er an seinen
Mantel.
    Meg packte Laynie in ihre Schneejacke, bezahlte die Rechnung und
trug Laynie zum Motel zurück.
    Zwei rothaarige halbwüchsige Jungen waren auf dem Parkplatz
des Hotels dabei, ein teuer aussehendes Teleskop aufzubauen. Das
Besetzt-Signal blinkte in den sonnenhellen Mittag. Laynie schlief
schon an Megs Schulter. Sie blieb stehen, um das Teleskop zu
bewundern. Die Jungen waren aus Arizona.
    »Können Sie sich vorstellen, wie glücklich wir
sind?« sagte einer von ihnen. »Ich meine, wirklich
glücklich?«
    »Sieht so aus, als würden wir gutes Wetter haben«,
sagte Meg, schützte die Augen mit der Hand gegen die Sonne und
sah zu den Wolken im Südwesten. Sie schienen sich
allmählich aufzulösen.
    »Ich spreche nicht vom Wetter«, sagte der Junge mit
einem Anflug von Geringschätzung, die Meg ihm nicht ganz abnahm,
weil er den ganzen Weg von Arizona hergekommen war. »Wenn wir
auf dem Jupiter lebten, könnten wir überhaupt keine Eklipse
beobachten.«
    »Nein«, stimmte Meg lächelnd zu. »Vermutlich
nicht.«
    »Schauen Sie; die Sonne ist genau vierhundertmal
größer als der Mond und vierhundertmal weiter entfernt.
Deshalb können sie sich von hier aus genau decken.
Wahrscheinlich gibt es eine solche Sonnenfinsternis im ganzen
Universum nicht noch einmal!«
    Er redete sehr laut. Laynie regte sich unruhig an Megs Schulter.
Ihre Backen waren gerötet, ein sicheres Zeichen, daß sie
hundemüde war.
    Meg lächelte den Jungen zu und trug Laynie in das Zimmer. Sie
schlug den roten Chenille-Überzug zurück und legte Laynie
auf die Bettdecke, dann zog sie die Schuhe aus und legte sich neben
das Kind.
     
    Die Jungen waren noch immer draußen, als sie erwachte, und
teilten der Pensionswirtin lauthals mit, wie glücklich sie sein
müsse, nicht auf der Venus zu leben. Die Pensionswirtin
wußte wahrscheinlich bereits, wie glücklich sie war. Meg
war sich ziemlich sicher, daß sie es gewöhnlich nicht
nötig hatte, im Februar ihr Besetzt-Signal anzustellen. Und sie
wußte genau, daß sie gewöhnlich keine
fünfunddreißig Dollar pro Zimmer bekam.
    Meg trug eine lange eingedrückte Spur auf der Wange, wo sie
auf dem zusammengefalteten Chenille-Bettüberzug gelegen hatte.
Sie bürstete sich die Haare, zog sich einen Sweater über
und setzte sich auf das Bett neben Laynie.
    Es war erst kurz nach zwei. Der Vortrag sollte zweieinhalb Stunden
dauern,

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