Brandzeichen
hätte, mit der er sie bedrohte.
Dianes Zähne klapperten – sie wusste selbst nicht, ob aus Angst oder wegen der Kälte. Sie begann sich zu fragen, ob das wirklich so ein guter Plan war. Er machte keinerlei Anstalten, in den Wagen zu steigen.
»Ja, das sehe ich. Das geht in Ordnung. Ich fahre Sie zu einem Ort, wo man Ihnen hilft.«
»Ich gehe in kein Krankenhaus.« Er streckte das Kinn vor. Sie nahm an, dass er dachte, dies lasse ihn energisch aussehen. Tatsächlich wirkte er eher wie ein trotziges kleines Kind.
»Ich kenne eine Privatklinik, in der der Arzt Sie zusammenflicken wird, ohne irgendwelche Fragen zu stellen.«
»Ich setze mich nach vorne.« Er deutete mit seiner Pistole auf den Wagen.
»Dann wird Sie die Polizei sehen. Vorne gibt es nicht genug Platz, um sich so weit zu ducken, dass man Sie nicht mehr erkennt. Auf der Rückbank liegt eine Decke, die können Sie über sich ziehen. Sie haben ja immer noch Ihre Pistole«, fügte sie dann noch hinzu, als ob er dies vergessen hätte.
Er starrte sie immer noch an, ohne sich zu rühren. Es hatte wieder zu schneien begonnen. In ihren Wimpern verfingen sich große Schneeflocken.
Steig einfach ein, verdammt.
Sie schaute die Straße hinauf und hinunter. Sie hatte Angst, dass ihn ein vorbeifahrendes Auto zu einer raschen, unbedachten Handlung bewegen könnte.
Plötzlich näherte er sich der hinteren Beifahrertür. Er schaute erst diese und danach seine Waffe an. Dann versuchte er, sie mit der Hand zu öffnen, in der er die Pistole hielt. Einen Moment lang glaubte sie, er werde auf die Tür schießen. Der von der unteren Straße heraufziehende Brandgeruch wurde immer stärker und reizte ihre Nase. Ein kalter Wind zerrte an ihren Haaren und stach in ihre Gesichtshaut wie kleine Nadeln.
Er steckte die Pistole in den Hosengürtel, öffnete die hintere Wagentür, ließ sich auf den Rücksitz gleiten und schloss die Tür.
Diane zögerte keine Sekunde. Sobald die Tür ins Schloss gefallen war, drückte sie auf die Schließtaste ihrer Fernbedienung, schlug die Fahrertür zu und rannte davon. Sie war froh, dass sie nur zwei Tage zuvor drei Achtjährige auf ihrer Rückbank zu deren Mutter befördert hatte und deshalb die Kindersicherung immer noch aktiviert war. Bis er in seinem Zustand auf den Vordersitz geklettert sein würde, war sie schon längst im benachbarten Wäldchen verschwunden, das zwischen ihrem Haus und der Straße lag, in der das Feuer wütete und in der es jetzt von Polizisten nur so wimmeln musste.
Als sie die Straße überquerte, fiel sie zweimal beinahe hin. Inzwischen gefror der Matsch immer mehr zu Eis. Ihre Füße wurden richtiggehend taub, als immer mehr Eis von oben in ihre niedrigen Stiefel rutschte. Sie huschte gerade vor einem geparkten Lieferwagen vorbei, als sie plötzlich dumpfe Pistolenschüsse hörte, die eindeutig aus ihrem eigenen Auto stammten.
Scheiße, der Wagen ist ja noch ganz neu,
musste sie denken, als sie erst einmal hinter dem Lieferwagen Deckung suchte. Es folgten noch mehrere Schüsse, denen das Geräusch von splitterndem Glas folgte. Als sie weiterlief, war sie sich einen Moment lang nicht einmal mehr sicher, ob sie immer noch Pistolenschüsse aus ihrem Wagen hörte oder es sich jetzt nicht vielmehr um das laute Krachen und Fauchen des Brandes in der weiter unten liegenden Straße handelte.
Der Rauch wurde immer dichter. Diane zog sich den Rand ihres Hemds über den Mund, atmete einmal tief durch und lief dann an einem Schneemann vorbei über eine größere freie Fläche. In einer kleinen Seitengasse hielt sie im Schatten eines Hauses kurz an. Plötzlich sah sie in der Straße, die sie gerade verlassen hatte, ein blinkendes Blaulicht. Sofort rannte sie diesem Licht entgegen, so schnell es in diesem knöcheltiefen Schnee überhaupt möglich war.
Inzwischen fühlte sie sich auch vor dem einhändigen Typen mit der Pistole ziemlich sicher. Es war dunkel, und sie bezweifelte, dass er aus dem Auto heraus überhaupt irgendetwas treffen konnte. Wenn sein Magazin leer war, würde es ihm mit seiner einen halberfrorenen Hand ziemlich schwerfallen, es wieder aufzufüllen. Warum sollte er sie überhaupt noch erschießen wollen?
Der Rauch stach ihr in die Kehle und trieb ihr das Wasser in die Augen. Als sie mit den Armen winkend dem Polizeiwagen entgegenrannte und dabei den Gehweg verließ, trat sie in ein tiefes Schlagloch, wobei sich ihre Stiefel völlig mit eiskaltem Matsch füllten. Der Streifenwagen bremste ab, ein Beamter
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