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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Einstein schien an allen ungeheuren Spaß zu haben, aber am liebsten hatte er die Bücher von Parks, und ganz besonders - aus Gründen, die weder Nora noch Travis finden konnten - mochte er die reizenden Frosch-und-Kröte-Bücher von Arnold Loebel. Sie brachten aus der Stadtbibliothek Berge von Kinderbüchern nach Hause und kauften zusätzliche Stapel im Buchladen. Zuerst las Nora sie laut vor und legte dabei bedächtig den Finger unter jedes Wort, während sie es aussprach, und Einsteins Augen folgten ihrem Finger, während er sich mit ungeteilter Aufmerksamkeit über das Buch beugte. Später las sie das Buch nicht mehr laut, sondern hielt es dem Hund offen hin und blätterte für ihn um, wenn er - durch ein Winseln oder irgendein anderes Zeic hen - zu erkennen gab, daß er mit dem Teil des Textes fertig war und sich an die nächste Seite machen wollte. Einsteins Bereitschaft, stundenlang dazusitzen und sich auf die Bücher zu konzentrieren, schien ein Beweis dafür, daß er sie tatsächlich las und sich nicht nur die hübschen Zeichnungen ansah. Trotzdem beschloß Nora, ihn hinsichtlich des Inhalts einiger Bände zu prüfen, indem sie ihm eine Anzahl Fragen über die darin enthaltenen Geschichten stellte. Nachdem Einstein >Frosch und Kröte im ganzen Jahr< gelesen hatte, klappte Nora das Buch zu und sagte:
    »Also schön. Und jetzt beantworte meine Fragen mit ja oder nein.« Sie waren in der Küche, wo Travis für das Abendessen einen Auflauf aus Kartoffeln und Käse machte. Nora und Einstein saßen am Küchentisch. Travis unterbrach seine Küchenarbeit, um dem Hund bei der Prüfung zuzusehen. Nora sagte:
    »Zuerst einmal - als Frosch Kröte an einem Wintertag besuchte, war Kröte im Bett und wollte nicht hinauskommen. Stimmt das?« Einstein, der ebenfalls auf einem Küchenstuhl Platz genommen hatte, mußte auf dem Stuhl etwas zur Seite rücken, um den Schwanz freizubekommen, damit er damit wedeln konnte. Ja. Nora fuhr fort;
    »Aber am Ende brachte Frosch Kröte dazu, daß sie hinausging, und da gingen sie eislaufen.« Ein Bellen. Nein.
    »Sie gingen schlittenfahren«, sagte sie.
    Ja.

    »Sehr gut. Später im gleichen Jahr, als Weihnachten war,  gab Frosch Kröte ein Geschenk. War es ein Pullover?«
    Nein.

    »Ein neuer Schlitten?«
    Nein.

    »Eine Uhr für seinen Kamin?«
    Ja, ja, ja.

    »Ausgezeichnet!« sagte Nora.
    »Was wollen wir - jetzt als  nächstes lesen? Was hältst du von dem hier: >Der phantastische Mr. Fox    Einstein wedelte heftig.
    Travis hätte es Spaß gemacht, eine aktivere Rolle bei der Er ziehung des Hundes zu übernehmen, aber er konnte erkennen, daß die intensive Arbeit mit Einstein eine ungemein wohltuende Wirkung auf Nora hatte, und wollte das nicht beeinträchtigen. Statt dessen spielte er manchmal den Brummbär, stellte in Frage, ob es sich lohne, dem Köter das Lesen beizubringen, und machte geringschätzige Bemerkungen über das Tempo, mit dem der Hund Fortschritte machte, oder über seinen literarischen Geschmack. Dieses sanfte Genörgel reichte aus, um Nora in ihrer Entschlossenheit zu bestärken, an dem Unterricht festzuhalten, noch mehr Zeit mit dem Hund zu verbringen und zu beweisen, daß Travis unrecht hatte. Einstein reagierte nie auf solche negativen Bemerkungen, und Travis argwöhnte, der Hund übe Nachsicht, weil er das kleine Spiel durchschaute.
    Warum Nora durch ihre Lehrtätigkeit aufblühte, wurde nicht klar. Vielleicht kam es daher, weil sie sich nie - auch nicht mit Travis oder ihrer Tante Violet -mit etwas so intensiv auseinandergesetzt hatte wie mit dem Hund und weil allein schon der Vorgang intensiver Verständigung sie dazu ermutigte, weiter aus ihrem Schneckenhaus herauszukommen. Vielleicht war es auch in hohem Maße befriedigend für sie, dem Hund das Geschenk der Bildung zu vermitteln. Sie war von Natur aus ein gebender Mensch, dem es Freude bereitete, das, was sie hatte, mit anderen zu teilen. Dabei hatte sie ihr ganzes Leben in mönchischer Abgeschiedenheit verbringen müssen, ohne ein einziges Mal Gelegenheit gehabt zu haben, diese Seite ihrer Persönlichkeit zu zeigen. Jetzt hatte sie die Chance, zu geben, und sie war mit ihrer Zeit und Energie großzügig und fand Freude an der eigenen Großzügigkeit. Außerdem argwöhnte Travis, daß sie durch ihre Beziehung zu dem Retriever ihre natürliche Gabe der Mutterschaft zum Ausdruck brachte. Ihre große Geduld war die der guten Mutter, die sich mit einem Kind abgab, und sie sprach häufig so zart und voller

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