Brandzeichen
das wichtigste Versuchstier der Geschichte bist -, dann werden die sich an jeden Tierarzt im ganzen Staat wenden, nicht wahr? Jeden Tierarzt... und jedes Tierheim... und auch jede Behörde, die Hundemarken ausgibt.« Wieder ein heftiges Schweifwedeln. Nora kam um das Bett herum und kauerte sich neben Travis nieder.
»Aber Golden Retriever gehören doch zu den beliebtesten Rassen. Tierärzte und Hundelizenzbürokraten haben doch die ganze Zeit mit solchen Hunden zu tun. Wenn unser Hundegenie hier sein Licht unter den Scheffel stellt und den blöden Köter spielt...«
»Was er recht gut kann.«
»... dann können die unmöglich wissen, daß er der Flüchtling ist.« Ja, beharrte Einstein.
»Was meinst du damit?« fragte Travis den Hund.
»Soll das heißen, sie können dich identifizieren?« Ja.
»Wie?« wollte Nora wissen.
»Irgendeine Markierung?« fragte Travis. Ja.
»Irgendwo unter dem Fell?« fragte Nora. Ein Bellen. Nein.
»Wo dann?« überlegte Travis. Einstein zog den Kopf aus Travis' Händen und schüttelte ihn so heftig, daß seine Schlappohren flogen.
»Vielleicht an den Fußballen«, sagte Nora.
»Nein«, sagte Travis, während Einstein einmal bellte.
»Als ich ihn fand, bluteten seine Pfoten, weil er so weit gelaufen war, und ich mußte ihm die Wunden mit Borwasser säubern. Da wäre mir eine Markierung aufgefallen.« Wieder schüttelte Einstein heftig den Kopf, daß die Ohren flogen.
»Vielleicht an der inneren Lippe«, vermutete Travis.
»Rennpferde tätowiert man an der Innenlippe, um sie zu identifizieren und um zu verhindern, daß bei den Rennen geschwindelt wird. Laß mich deine Lippen zurückschieben und nachsehen, Junge.« Einstein bellte einmal -nein -und schüttelte heftig den Kopf. Jetzt begriff Travis endlich. Er schaute ins rechte Ohr und fand nichts. Aber im linken Ohr war etwas. Er bedeutete dem Hund, mit ihm ans Fenster zu kommen, wo die Beleuchtung besser war, und entdeckte, daß die Markierung aus zwei Ziffern, einem Strich und einer dritten Ziffer bestand, die in purpurner Farbe in das rosabraune Fleisch eintätowiert waren: 33-9. Nora blickte über Travis' Schulter und meinte:
»Die haben wahrscheinlich mit einer ganzen Anzahl von Welpen experi mentiert, aus verschiedenen Würfen, und mußten sie identifizieren können.«
»Du lieber Gott! Wenn ich mit ihm zum Tierarzt ginge und der die Anweisung hat, nach einem tätowierten Retriever Ausschau zu halten ...«
»Aber geimpft muß er werden.«
»Vielleicht ist er schon geimpft«, sagte Travis hoffnungsvoll.
»Darauf dürfen wir nicht bauen. Er war ein Labortier; das in einer Umgebung lebte, die unter Kontrolle stand. Vielleicht brauchte er die Impfung nicht. Vielleicht hätten diese üblichen Impfungen die Experimente gestört.«
»Den Tierarzt können wir unmöglich riskieren.«
»Wenn die ihn finden und wiederhaben wollen«, sagte Nora, »geben wir ihn einfach nicht her.«
»Sie können uns zwingen«, sagte Travis betrübt.
»Verdammt, wenn sie das können.«
»Verdammt, wenn sie das nicht können. Ich wette, die Forschungsarbeiten werden von der Regierung finanziert, und die können uns zermalmen. Wir dürfen das Risiko nicht eingehen. Einstein hat einfach Angst davor, wieder ins Labor zurückzumüssen.« Ja, ja, ja.
»Aber wenn er sich mit Tollwut oder Staupe ansteckt...«
»Wir lassen ihn später impfen«, sagte Travis.
»Später. Wenn die Lage sich abgekühlt hat. Wenn er keine so heiße Ware mehr ist.« Der Retriever winselte glücklich und zeigte seine feuchte Dankbarkeit, indem er Travis' Hals und Gesicht leckte. Nora meinte mit gerunzelter Stirn:
»Einstein ist so ziemlich das Wunder Nummer eins des zwanzigsten Jahrhunderts. Glaubst du wirklich, daß er je abkühlen wird, daß die je aufhören, nach ihm zu suchen?« ,
»Vielleicht jahrelang nicht«, räumte Travis ein und streichelte den Hund.
»Aber mit der Zeit werden sie mit weniger Enthusiasmus und weniger Hoffnung auf Erfolg suchen. Und die Tierärzte werden nicht mehr jedem Retriever, den man ihnen bringt, in die Ohren schauen. Bis dahin muß es einfach ohne Impfung gehen, schätze ich. Was bleibt uns denn anderes übrig?« Nora zerzauste Einstein mit einer Hand das Fell und meinte:
»Hoffentlich hast du recht.«
»Das habe ich.«
»Hoffentlich.«
»Ganz sicher.«
Es ging Travis schwer unter die Haut, daß er nahe daran gewesen war, Einsteins Freiheit aufs Spiel zu setzen, und so brütete er die nächsten paar Tage über dem
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