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Brandzeichen

Brandzeichen

Titel: Brandzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Einstein nahm jede Drohung mit großem Gleichmut hin, grinste entweder oder gähnte oder blies schnaubend die Luft durch die Nasenlöcher.
    Am frühen Sonntagabend besuchte Vince Nasco Johnny Santini, genannt >der Draht<. Johnny wurde aus mehreren Gründen >der Draht< genannt, nicht zuletzt deshalb, weil er groß, schlank und drahtig war und aussah, als bestünde er aus verknoteten Drähten verschiedener Dicke. Außerdem hatte er gekräuseltes Haar in der Farbe von Kupfer. Johnny war schon im zarten Alter von fünfzehn Jahren zu Ansehen gelangt: Er hatte es damals, um seinem Onkel Religio Fustino, dem Don einer der fünf Familien New Yorks, gefällig zu sein, auf sich genommen, einen auf eigene Rechnung arbeitenden Shit-und-Coke-Dealer zu strangulieren, der in der Bronx ohne Erlaubnis der Familie tätig war. Johnny benützte für den Job eine Klaviersaite. Dieser Beweis seiner Eigeninitiative und seiner Achtung der Prinzipien der Familie hatte Don Religio mit Stolz und Zuneigung erfüllt, er hatte geweint - zum zweiten Mal in seinem Leben -, seinen Neffen des ewigen Respekts der Familie versichert und ihm eine gutbezahlte Position im Geschäft versprochen.
    Jetzt war Johnny >der Draht< fünfunddreißig und wohnte in einem Strandhaus in San Clemente, das eine Million Dollar gekostet hatte. Die zehn Zimmer und vier Bäder waren von einem Innenarchitekten gestaltet worden, dessen Auftrag gelautet hatte, inmitten unserer modernen Welt im authentischen und teuren - Art-deco-Stil einen Zufluchtsort zu schaffen. Alles war in Schwarz, Silber und Dunkelblau gehalten, mit Andeutungen von Türkis und Pfirsich. Johnny hatte Vince gegenüber geäußert, Art deco gefalle ihm, weil ihn diese Richtung an die Roaring Twenties erinnere. Er liebte die zwanziger Jahre, denn das war die romantische Epoche der legendären Gangsterbosse gewesen.
    Für Johnny den Draht war Verbrechen nicht nur ein Mittel, Geld zu machen, nicht nur einfach eine Möglichkeit, sich gegen die Einengungen der zivilisierten Gesellschaft aufzulehnen, auch nicht bloß ein ererbter Trieb, für ihn war es auch und zwar in erster Linie -eine großartige romantische Tradition. Er sah sich als Bruder aller Augenklappen tragenden hakenarmigen Piraten, die je auf der Suche nach Raubgut die Segel gesetzt hatten, aller Straßenräuber, die je eine Postkutsche ausgeraubt hatten, und der Gesamtheit von Safeknackern, Kidnappern und Erpressern seit den Zeiten, da es Verbrechen als Profession gab. Er war, darauf bestand er, auf mystische Weise mit Jesse James, Dillinger, AI Capone, den Dalton-Boys, Lucky Luciano und Legionen anderer verwandt, und Johnny liebte sie alle, diese legendären Brüder in Diebstahl und Blutvergießen. Als er Vince die Eingangstür aufmachte, sagte er:
    »Komm rein, komm rein. Großer. Schön, dich wiederzusehen.« Sie umarmten einander. Vince mochte Umarmungen nicht, aber er hatte für Johnnys Onkel Religio gearbeitet, als er noch in New York lebte, und bisweilen war er hier an der Westküste noch für die Fustino-Familie tätig, also kannten er und Johnny einander schon lange, lange genug, um eine Umarmung zu rechtfertigen.
    »Du siehst gut aus«, sagte Johnny.
    »Paßt auf dich auf, wie ich sehe. Bist du immer noch boshaft wie eine Schlange?«
    »Wie eine Klapperschlange«, sagte Vince, dem es allmählich peinlich war, solchen Schwachsinn von sich zu geben, aber er wußte, Johnny hatte es gern, wenn man mit dieser Art Gangstergequassel um sich warf.
    »Hab' dich schon so lange nicht mehr gesehen. Dachte schon, die Bullen hätten dir vielleicht den Arsch aufgerissen.«
    »Ich sitze nie«, sagte Vince und meinte damit, für ihn stehe fest, daß das Gefängnis nicht zu den Dingen gehöre, die die Vorsehung für ihn ausersehen habe. Johnny legte es so aus, daß Vince lieber schießend zu Boden gehen würde, als sich dem Gesetz zu ergeben, und daraufhin runzelte er die Stirn und nickte zustimmend.
    »Wenn sie dich je in die Ecke treiben, bläst du so viele von ihnen weg, wie du kannst, ehe sie dich erledigen. Die einzig saubere Art, zu Boden zu gehen.« Johnny der Draht war ein erstaunlich häßlicher Mann, was wahrscheinlich sein Bedürfnis erklärlich machte, sich als Teil einer großen romantischen Tradition zu fühlen. Im Laufe der Jahre hatte Vince erkannt, daß die gutaussehenden Gangster nie herausstrichen, was sie taten. Sie töteten kaltblütig, weil Töten ihnen Freude bereitete oder weil sie es für nötig fanden, und sie stahlen, erpreßten

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