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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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blickte über die Schulter das Häuflein toten Fleischs an, dann erneut die Frau, ohne etwas zu sagen; er ließ sein Verhalten für sich sprechen. Das Weib hob die Schultern. »Ich habe sie nicht gebeten, mir zu folgen.«
    »Manche Köder sind Fischen unwiderstehlich«, meinte
    Aituatea, verdutzt angesichts der eigenen Verwegenheit.
    »Ich trage nicht für alle Torheiten der Welt Verantwortung.« Die Frau rieb sich versonnen mit einem Finger den Mundwinkel, schnitt eine leicht verdrossene Miene, als sie den Blick von Aituatea auf Hotea richtete, die einen Schritt hinter ihm stand. »Du hast mich auf der Ufermauer beobachtet.«
    »Du hast mich gesehen?«
    »Nicht ich.« Sie schnippte mit den Fingern.
    In der Höhe ertönte ein halblautes Schwirren, dann sausten zwei große Ohreulen an Aituatea vorüber, so niedrig, daß er die vom Nebel verursachte Feuchtigkeit ihrer Federn zu riechen vermochte. Sie flatterten höher, ließen sich auf einer Dachkante nieder, die ihm zugewandten gelben Augen blinkten. Da verstand er, was aus den Kindern geworden war; er straffte sich, raffte sich aus seiner unterwürfigen Haltung hoch, hielt den Blick aufs Gesicht der Frau gerichtet, um nicht die Eulen ansehen zu müssen. »Der Alte auf dem Berg hat uns vorausgesagt, daß du in dieser Nacht an Land kommst.«
    »Aha. Also wohnt er noch dort?«
    »Jemand auf alle Fälle.«
    »Du willst etwas von mir.«
    »Ja, ich möchte, daß du für Hotea und mich etwas tust. Ich habe etwas, von dem der Alte versicherte, daß du Wert darauf legst. Erledigst du einen Auftrag für uns, sollst du's von mir erhalten.«
    »Welchen Auftrag?«
    Aituatea wehrte mit den Händen ab, warf den Eulen einen flüchtigen Blick zu. Eine von ihnen stieß leise Rufe aus, die ihm zu gelten schienen. »Laß uns nicht hier darüber reden. Hier ist's zu unsicher.« Er fiel auf die Knie, beugte das Haupt. »Beehre mein Heim, Saöri Brann! Sobald das Wasser kocht, gibt's Tee.«
    »Tee?« Branns Brauen rutschten hoch, sie lachte warmherzig auf. »Nun ja, wenn's Tee gibt! Ein Stündchen kann ich erübrigen.« Sie strich sich mit der Hand übers Haar. »Und wer erwartet mich in deinem Heim?«
    »Ein paar Geister, sonst niemand. Hast du Bedenken?«
    »Geister stören mich nicht.«
    Aituatea nickte, trat durch die Gasse, durch die er Brann gefolgt war, den Rückweg an; er ging langsam, versuchte das Schaukeln seines Körpers nach Möglichkeit einzuschränken, während die Frau ihn mühelos begleitete. »Sie sind für mich 'ne Art von Familie«, sagte er. Das Weib flößte ihm Unruhe in, er redete drauflos, um das Schweigen zu überbrücken. Die Eulen schwirrten vorbei, schwebten erst niedrig, kreisten dann höher, bis sie im Nebel verschwanden.
    »Familie?«
    »Alle meine Blutsverwandten außer Hotea sind vor zehn Jahren an der Pest gestorben.« Aituatea bog in eine Seitenstraße ab, die auf geraderem Wege nordwärts verlief. »Sie leisten mir Gesellschaft, diese Geister, obwohl sie keine Blutsverwandten sind. Wenn ihre Zeit vertan ist, weichen sie, doch's gibt ja alleweil neue Ertrunkene, Gemeuchelte und Selbstmörder, die ihren Platz einnehmen.«
    »Sie werden mich nicht mögen.« Ein Mundwinkel Branns zuckte nach oben. »Tote haben etwas gegen mich.«
    »Sie sind auf dich vorbereitet. Ich habe ihnen angekündigt, daß ich dich, wenn möglich, mitbringen werde.«
    »Hat der Alte sich mit mir beschäftigt?«
    »Hotea und ich haben mit ihm nur über unsere Schwierigkeiten gesprochen.«
    »Eure geheimnisvollen Schwierigkeiten, so, hmmm, ich dachte, es wäre niemand mehr da, der sich an mich entsinnt.«
    »Wir haben ihn um Hilfe gebeten.«
    »Und die soll ich euch erweisen können?«
    »Das hat er gesagt.« Für eine Weile strebten sie an den baufälligen Wohnhäusern entlang. Hotea schwebte an Aituateas Seite. Nach und nach lösten überfüllte Elendsbehausungen die Häuser ab, errichtet aus Strandgut und Schutt, aus allem, was die Bewohner gerade hatten finden oder stehlen können. In der Ferne heulte ein Säugling, zwei Männer brüllten sich an — ihre Worte blieben undeutlich, unverständlich —, einmal kreischte eine Frau, dann nicht wieder, aber die Straße, die sie durchquerten, lag in völliger Leere und Stille da. »Die Örtlichkeit, wohin wir unterwegs sind, hat eine ganz besondere Geschichte«, sagte Aituatea. »Vor zwanzig Jahren lebte hier ein Seidenhändler namens Djallasoa. Er verkaufte Ewigkeitsgewänder. Weißt du, was das für Kleider waren? Nein? Nun, zur

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