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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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nicht mehr zu sehen. Sobald er das Ende des Gangs erreichte, sah er sie in der Mitte des Innenhofs stehen und nach oben blicken, der Mondschein strömte wie wäßrige Milch über ihr porzellanbleiches Gesicht. Die Geister schwebten zu ihr herab, glichen ebenfalls Schleiern und Schlieren von Nebel, sausten durch sie hindurch und davon. Sie stand völlig reglos da, ließ ihr Verhalten über sich ergehen, als wäre es ein Ritus, der sie langweilte, den sie jedoch um des lieben Friedens willen erduldete, den sie danach erwartete. Die Doggen jagten einander und jede Ratte, die sie aufstöbern konnten, durch die Nebelschwaden, in die finsteren Löcher der Lagerräume im Erdgeschoß und heraus. Danach kamen sie zu Aituatea und schnupperten an seinen Knien, warfen sich gemeinsam herum und umkreisten Brann.
    »Zweites Stockwerk zur Linken«, sagte Aituatea, setzte sich zum Treppenhaus in Bewegung. Die Doggen tappten an ihm vorüber, polterten die Treppen hinauf, Rüde und Hündin, Pfote um Pfote patschte die feuchten rutschigen Stufen empor. Aituatea strebte im zweiten Stockwerk ein Stück weit durch den Flur, schloß eine Tür auf, schwang sie einwärts. In der Räumlichkeit, die dahinter lag, war es dunkel und warm, voller Gerüche; es roch nach Zeder, Sandelholz, Lack und Gewürzen, dem heißen Metall des zugedeckten Feuerbeckens und dem Torf, der darin schwelte. Er verneigte sich, breitete die Arme aus. »Beehre meine ärmliche Behausung, Saöri Brann!« Er wandte sich ab, schlurfte ins Düstere, klappte die Läden der Hoffenster auf, entzündete die an der Wand und auf dem Teppich verteilten Lampen. Aus einer irdenen Deckelkanne goß er Wasser in den Kessel, stellte ihn auf die Kohlen, blies in die Glutasche, so daß wieder Flämmchen zu lodern begannen, kehrte schließlich zurück zu seinem Gast.
    Brann hatte sich in einem niedrigen Lehnstuhl niedergelassen, ein Bein unterm Leib, das andere ausgestreckt, die Hände ruhten auf den Schenkeln. Im rosigen Lampenschein wirkte das Haar dunkler, eher grau als silbern, die Augen hatten einen Farbton reinen Hellgrüns, so wie junge Weidenblätter im Frühling. Die Bulldoggen hatten sich mittlerweile in Kinder zurückverwandelt, saßen im Schneidersitz zu Branns Füßen, schauten mit der eulenhaften Vorwitzigkeit richtiger Kinder rundum. Sie hatten aschblondes Haar, das eine Kind etwas dunkleres als das andere; die Haare waren dünn und glatt, geschnitten zur kurzen, einer Haube vergleichbaren Haartracht, wie man sie oft bei Buben sah. Wie Aituatea schon vorher beobachtet hatte, glichen sie Zwillingen; in dieser Gestalt wirkten sie dermaßen geschlechtslos, daß es Aituatea regelrecht bestürzte, als er sich daran erinnerte, daß eine der Doggen eindeutig ein Weibchen gewesen war.
    »Meine Gefährten«, sagte Brann. »Jaril.« Sie beugte sich vor und berührte den Kopf zu ihrer Rechten. »Yaril.« Sanft strich sie mit der Hand über den leicht helleren Schopf an ihrer linken Seite. »Du hast hier einen netten kleinen Schlupfwinkel, Freund Hina. Tz, das ist mehr als reichlich an Beutegut, um dich an den Strang zu bringen!« Ihr Blick glitt über die Bildrollen an den Wänden, die mit Juwelen durchwirkten Teppiche auf dem Boden, alle die im Lampenschein sichtbaren Kostbarkeiten.
    »Sollten die Temueng mich jemals hier aufspüren, wäre das allemal mein Tod.«
    Branns Finger klopften auf ihre Schenkel. »Es ist hier recht voll.« Aituatea nahm auf dem Stuhl beim Kohlenbecken Platz, behielt sie im Augenmerk. Sie sah sie alle; soviel war klar. Mondfischer in seinen Lumpen schwebte unter der Zimmerdecke, er war einst ein machtvoller Fischrufer gewesen, gewaltige Bootsladungen voll hatte er heimgebracht, bis ihn eines Tages ein Sturm überraschte und in Sichtweite der Küste ertränkte. Älteste Großmutter hockte bei der Tür, ein längst verschwommener, zerfaserter Geist, sie mußte sich in Kürze vollends verflüchtigen; eine Schwiegertochter, die es satt gewesen war, heruntergemacht zu werden, hatte sie vergiftet. Ältester Bruder saß am Fenster, ein Mitglied der Schwesternschaft der Kordel hatte ihn, nachdem er in ein geheimes Ritual geplatzt war, sachkundig erdrosselt. Kleiner Bruder, auch ertrunken, kauerte hinter Aituateas Stuhl und belauerte die Gestaltwandler. Das Weib ohne Kopf, über das niemand etwas wußte, der Spieler, die mehreren Tänzerinnen und Huren, Kleine Schwester, sogar der griesgrämige alte Temueng, der immer nur mürrisch in der Ecke zu sitzen pflegte, alle

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