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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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ein Ende hatte? An eine Woche reihten sich schnell eine zweite und dann eine dritte Woche. Nach einer Woche mußte Schluß sein; es mußte ganz einfach Schluß sein. Taguiloa berührte sich an der Schulter, wo er seinen zwiespältig gesonnenen Patron sitzen gefühlt hatte, fragte sich, ob dieser Aufenthalt eines der zweifelhaften Geschenke Tungjiis sein könnte. Er überprüfte seine jüngste Vergangenheit darauf, wann er seinen Gott mißachtet oder verärgert haben mochte. Aber ihm fiel nichts ein außer den üblichen, durch den Wirrwarr des Alltags bedingten Unaufmerksamkeiten und schnell vergessenen Flüchen. Er zwang sich zur Gelassenheit und machte sich auf die Suche nach der restlichen Truppe, um ihr zu erzählen, was sich ereignet hatte.
    Taguiloa hüllte sich in ein gewirktes Kleidungsstück aus schwarzer Seide — außer in der Farbe glich es ganz dem weißen Gegenstück, das er bei seinem Auftritt getragen hatte, also den gesamten Körper bedeckte —, schlüpfte aus seinem Zimmer und begab sich auf seinen abendlichen Streifzug durchs Haus des Jamar; er belauschte dabei alles, was er zu hören bekam, das Bedürfnis zu überleben, trieb ihn ebenso dazu wie bloße Neugier. Die Woche näherte sich ihrem Ende, der Zeitpunkt rückte heran, an dem die Gutwilligkeit des Flamardan-Jamar auf die Probe gestellt werden sollte. Vielleicht ließ er sie ziehen; doch es konnte so kommen, daß er darauf bestand, sie noch für eine Weile bei sich zu behalten; und danach würde er auf einem weiteren und abermals einem Weilchen beharren, und immer so fort, er würde ihnen auf diese Weise die Zeit stehlen, sie niemals
    gehen lassen.
    Taguiloa durchquerte das Gewirr von Fluren in dem Gebäudeteil, in dem die Truppe untergebracht war, strebte zu dem Vorratskämmerchen, das er bei seiner ersten abendlichen Erkundung des Baus entdeckt hatte. Zwei Bedienstete, Mann und Weib, die noch spät umgingen, zwangen ihn zur Zufluchtnahme in dem finsteren, offen zugänglichen Alkoven, doch kaum hatte er Deckung gefunden, mußte er erkennen, daß die zwei beabsichtigten, dieselbe Kammer aufzusuchen. Er fluchte dem geilen Pärchen und schaute sich nach einem anderen Versteck um. Wahrscheinlich würde es keinen Lärm schlagen, falls es ihn sah, sondern sich einfach einen anderen Platz suchen, um seine Lust zu befriedigen, aber später liefe Geklatsche um, das wohl irgendwann jemandem zu Ohren käme, der etwas zu sagen hatte, und daraus ergäben sich unerfreuliche Folgen für die Truppe. An einer Wand der Kammer befanden sich vom Boden bis zur Decke schmale Regalbretter. Taguiloa kletterte daran hinauf, darum bemüht, sich zusammenzukrümmen, sich unsichtbar zu machen. Die Bretter erwiesen sich als für sein Vorhaben nicht breit genug, doch da bemerkte er über sich, in der Decke des Kämmerchens, eine viereckige Vertiefung. Er drückte gegen eine Seite des Vierecks, und sie kippte ein wenig aufwärts. Als das Paar in die Kammer kam, flüsterte und lachte, hatte er sich schon durch die Öffnung geschoben und schloß die Klappe wieder. Zunächst zu furchtsam, um sich zu regen, lauschte er den Geräuschen von drunten, aber nach einer Weile wachsender Langeweile und zunehmender Verkrampfung der Gliedmaßen erhob er sich in die Hocke, hielt Umschau; durch Belüftungslöcher unterhalb der Dachkante drang gerade so viel Helligkeit ein — Licht des Wunden Mondes —, daß er ein Kreuz und Quer von Balken sowie die Lattung sehen konnte. Der Dachfirst verlief hoch über der Stelle, wo Taguiloa kauerte, fiel steil zu den Dachkanten ab.
    Es sah ganz einem Temueng ähnlich, mit einem so großen geräumigen Innenraum Platzverschwendung zu betreiben, ihn Staub und Eichhörnchen, Spinnen und Mäusen anheimfallen zu lassen. Sobald Taguiloa genauer hinhörte, merkte er, daß es unterm Dach recht geräuschvoll zuging, ein Nagen war zu vernehmen, das Tappen von Krallenfüßchen, das Schnattern von Eichhörnchen, Quieken von Mäusen, denen Hauskatzen auflauerten und die sie erlegten, Geschrei von Katzen, die sich stritten oder paarten. Taguiloas Sorge, man könnte ihn hören, ließ erheblich nach, er richtete sich auf, verschaffte sich einen Überblick und schlich auf den Balken vorwärts, achtete auf Stimmen in den unten befindlichen Räumen.
    In den Tagen seit seinem ersten geheimen Streifzug hatte er genug Gerede mitbekommen, daß er ein immer stärkeres Mißbehagen empfand. Nun huschte er eilends über die Dachbalken, strebte zu den Gemächern des Jamar, ohne

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