Brann 01 - Seelentrinkerin
»Dieses Jahr nicht«, sagte er mit einer nachdrücklichen Endgültigkeit, die die Jamika zum Schweigen bewog.
Neues Quietschen, als sie sich erhob und von neuem hin- und herzuwandern anfing, nörglerische Bemerkungen über ihre Zofen und deren Mängel äußerte, die Kränkungen, die sie angeblich seitens der Verwandten und deren Gemahlinnen erdulden mußte, und die Unehrerbietigkeit eines der männlichen Diener. Der Jamar schwieg, er hatte sich längst dermaßen an ihr Gequengel gewöhnt, daß es dem Vorbeiwehen des Winds glich, es zählte zu den jeden Tag hörbaren Geräuschen, die er nicht länger bewußt wahrnahm. Taguiloa lag auf dem Dachbalken, schlief halb, neigte bereits dazu, das Paar seinem Alltagstrott zu überlassen, denn an den vergangenen vier Abenden hatte diese Art von Geplänkel damit geendet, daß er ins Bett kroch. Er gähnte und grinste in die Dunkelheit. Es mußte ein gewaltiges Bett sein, und haltbar gebaut dazu. Die Jamika hatte einen Wuchs, der zum Jamar paßte, dicke Arme und Schenkel, Brüste wie Wassermelonen, war nur einen Kopf kleiner als er; vielleicht war sie der Grund, weshalb er nie eine Zweitfrau genommen hatte, womöglich war sie das einzige Weib auf der Welt mit hinlänglich stämmigem Körper, damit er es nicht mit seinem Gewicht unter sich zermalmte, neben dem er nicht lächerlich aussah, wie ein mit einer Gazelle vermählter Elefant. Bei diesen Gedanken verflog jedoch Taguiloas Belustigung. Wenn es sich so verhielt, würde der Jamar nachgerade alles tun, um die Zufriedenheit seiner Gemahlin einigermaßen zu gewährleisten. Er hatte offenbar keine Konkubinen, in der Gegenwart Branns und Harras war er verlegen, er schien sich vor Frauen mit herkömmlichem Körperbau beinahe zu fürchten. Fast vergaß sich Taguiloa, hätte er Tungjii verflucht. Er beherrschte sich gerade noch, schließlich war es mies genug, unmittelbar unter der Fuchtel des Jamar ausharren zu müssen, ohne Tungjii, diese so unberechenbare Gottheit, zu reizen. Ihre/seine Gunst war schon eine zweischneidige Sache, ihre/seine Ungnade nicht anders, als käme auf dem Rücken eines Drachens die Hölle selbst angeflogen. Taguiloa rieb sich am splitterreichen Dachbalken die Nase und versprach Tungjii ein Dutzend Räucherstäbchen, die er entzünden wollte, wenn er sich wieder daheim in Silili befand.
»Was ist mit den Schaustellern?« fragte der Hamardan-Jamar auf einmal. »Soll ich sie weiterziehen lassen, oder möchtest du sie bei uns behalten?«
Taguiloa biß sich spürbar auf die Lippe, atmete tief durch. »O Ingklio, würdest du sie behalten? Jenes Weib bedeutet mir großen Trost, es ist eine wahre Seherin, ich weiß es; es hat mir Dinge gesagt, die sonst niemand ... Nun, derlei Sachen eben, und wenn es hier ist, kann's mir mitteilen, was Empi treibt. Er schreibt ja nie.« Lautes Quietschen, als die Jamika sich neben dem Jamar aufs Liegesofa warf. »Denk nur: eigene Schauspieler! Können wir's uns leisten?«
»Hina und Fremdlinge ... Was sollten sie schon kosten?«
In stummer Wut schäumte Taguiloa vor sich hin, lauschte noch für ein Weilchen, während die Unterhaltung drunten in elefantenhaftes Geturtel zu münden begann. Bald hatte er genug; wenn er noch ein wenig länger zuhörte, würde ihm zweifellos schlecht werden. Er stand auf und schlich zum Durchstieg, kletterte hinab ins Vorratskämmerchen und kehrte durch die düsteren stillen Korridore zurück in sein Schlafzimmer. Er pellte sich das einteilige Kleidungsstück vom Leib, wusch sich mit einem Schwamm Schweiß und Staub ab, streifte ein altes weiches Gewand in blauer Farbe über, strebte durch den Korridor zu Branns Tür und klopfte an.
Nach kurzem Warten ließ sie ihn ein. Die Lampen in ihrem Zimmer brannten noch, Jaril und Yaril saßen im Schneidersitz auf dem Bett, ihre Kindergesichter schauten ernst drein, ihre Kristallaugen spiegelten den Lampenschein wider.
»Jaril dachte schon, daß du bald kommen wirst«, sagte Brann. Sie setzte sich neben Yaril aufs Bett. »Es gibt also schlechte Neuigkeiten.« Letzte Äußerung war keine Frage.
»Der Jamar betrachtet uns als 'n kleines Geschenk für sein Eheweib«, antwortete Taguiloa. »Du warst 'n bißchen zu überzeugend. Diese dicke Kuh möchte täglich Neues über ihr mißratenes Kalb erfahren.« Brann sagte ein paar Worte in einer Sprache, die er nicht kannte, aber dank ihrer Heftigkeit bedurfte es keiner Übersetzung. »Und ihr schmeichelt die Vorstellung, 'ne eigene Künstlertruppe zu haben, sie
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