Brann 01 - Seelentrinkerin
Wind wehte. Sie streifte das Gewand ab, warf es neben dem Steinwall des Pferchs auf die Erde, stieg aus der Hose, beförderte sie mit einem Schlenkern des Beins auf das Gewand. Sie spürte die Luft ziemlich kühl auf der Haut, aber sie hatte von den Kindern genug gelernt, um dem Stein unter den Füßen eine beträchtliche Menge Wärme entziehen und in ihrem Körper speichern zu können. Gleich darauf fühlte sie sich wieder vollständig wohl, wartete jedoch noch; wenig später hörte sie das Kläffen des Wolfs und eilte in die dadurch angezeigte Richtung, lief leichtfüßig durch die Finsternis, ihre Augen paßten sich dem Dunkel so gut an, wie ihr Körper mit der Kälte fertigzuwerden vermochte. Sie erreichte eine kleine, von Felsen umsäumte Geländemulde mit recht abschüssigen Wänden, durch die Mitte verlief ein ausgetrocknetes Bachbett, und an den Hängen oberhalb der Mulde sah man ein paar Büschel von dürrem Gras und einige größere Findlinge. Eine Ohreule flatterte vom Nachthimmel herab, verwandelte sich, als sie die Erde berührte, in Yaril. »Du kannst ohne weiteres hier warten. Sie sind ganz nahe.« Dann war sie ein großer, grauer Wolf und verschwand zwischen den Felsklötzen.
Brann schaute rundum, hob die Schultern und setzte sich auf einen geeigneten Felsen, schlug die Beine übereinander, legte die Hände auf die Schenkel, bemühte sich um eine lässige, lockere Haltung.
Aus der Finsternis kamen die Ular-drah zum Vorschein, allen voran ein hagerer haariger Mann, der sich mit der achtsamen Leichtigkeit einer Katze auf Pirsch bewegte. Die übrigen Ular-drah hinter ihm glichen Schatten, zauderten zwischen den Findlingen. Der Mann blieb vor Brann stehen. »Was soll 'n das für 'n Spielchen sein?« Langsam stand Brann auf, schaukelte schwungvoll mit den Hüften, lächelte ihm zu und trat ihm einen Schritt entgegen. Er wirkte verunsichert, aber wich nicht zurück. Brann hob die Hand. Mit rohem Griff umklammerte er ihren Arm. »Was soll das, Weib?«
»Ich bin auf der Jagd nach einem richtigen Mann«, gurrte Brann. Ihre Finger streichelten ihm den harten, sehnigen Arm, dann streckte sie auf seiner bloßen Haut die Hand und saugte ihm das Leben aus.
Als er niedersackte, sprang sie zurück, zerrte ihren Arm frei. Zwischen den Findlingen schrie ein Mann, andere Räuber stürzten auf Brann zu, Messer und Schwerter in den Fäusten. Brann wich ihnen nachgerade tänzerisch aus, spürte an ihrer Seite ein Brennen, als eine Klinge ihr oberflächlich die Haut aufschlitzte, schlug die Hand auf das erste Stück nackten Fleischs, das in ihre Reichweite gelangte, nahm auch dies Leben in sich auf, fühlte erneut Schmerz. Mehrmals vermochte sie Hieben und Stößen auszuweichen, ein Dolch jedoch bohrte sich ihr in die Hüfte, während sie anfaßte und tötete, anfaßte und tötete. Zwei voneinander unterscheidbare, silbergraue Wölfe schnappten nach den Beinen der Räuber, brachten mehrere zu Fall, wenn Stahl sie traf, verflimmerten ihre Erscheinungen, verdichteten sich genausoschnell wieder zu Wölfen. Schon waren drei Räuber tot, zwei gefällt, krochen fort. Berühren und töten. Auf einem Bein versuchte ein Räuber sie niederzumachen, stieß ihr ein Messer in die Seite. Berühren und töten. Berühren und töten. Endlich waren alle sechs Räuber tot.
Brann biß die Zähne zusammen, um den Schmerz besser ertragen zu können, als sie sich das Messer aus dem Leib zog, es fortwarf, die Wunde heilte, ehe die Klinge auf Fels schlug, davon abprallte. Sie straffte sich, fühlte Lebenskraft in sich kribbeln. Die Wölfe verwandelten sich, im nächsten Augenblick standen vor ihr Yaril und Jaril, hielten ihr die durchscheinend blassen Händchen entgegen. Sie hatten sich nicht geschont, um die Räuber zur Strecke zu bringen, und die Anstrengungen hatten sie gefährlich nahe an den Rand des Vergehens befördert. Brann gab ihnen die Hände, ließ das geraubte Leben in die Bergkinder überfließen, lächelte freudig, als sie sah, wie sie zu neuen Kräften kamen, ihre Blässe verloren.
Als die Speisung beendet war, betrachtete Brann die ringsum verstreuten Leichen, und sie empfand erneut Ekel. Ich habe Slya weiß wie viele Leben gerettet, indem ich diesen Räubern das Leben nahm ... Sie schüttelte den Kopf, die Mulmigkeit im Magen blieb vorhanden. Sie schlotterte vor sich hin, während sie zum Steinkreis umkehrte, Yaril und Jaril dagegen, die sie begleiteten, wirkten rundlicher als zuvor und zufrieden mit der Welt. Brann
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