Brann 01 - Seelentrinkerin
strich sich mit den Händen übers Haar, wandelte die glänzende Silberfärbung in ein gleichermaßen glänzendes Schwarz um. Sie legte die Hose wieder an, verknotete die Zugkordel, streifte das Gewand über, glättete es. Mit einem Mal fühlte sie sich erschöpft, lehnte sich an einen der Hinkelsteine. »Ich werde schlafen, als ob jemand mich über den Schädel gedroschen hätte. Muß diese Nacht mit weiteren unerbetenen Besuchern gerechnet werden?«
»Vorerst nicht«, entgegnete Yaril. »Ich habe keine Banden gesehen, die nahe genug wären, daß sie uns vor Anbruch des Morgens erreichen könnten, aber ich werde noch einmal Umschau halten, um mich zu vergewissern.«
Brann nickte, sah zu, wie sich zwei große Eulen schwerfällig in die Luft erhoben. Sie beobachtete, wie sie im Finstern verschwanden, verspürte in diesem Augenblick Haß auf die beiden. Ein Leben lang mußte sie Menschen aussaugen, um dieses Paar zu nähren, und Slya allein mochte wissen, was ein Leben lang bedeutete, wenn es sich auf eine so weitgehend veränderte Person wie sie bezog. Aber die Aufwallung verflog so rasch, wie sie entstand. Es wäre unsinnig gewesen, die Kinder zu hassen; sie folgten ihrer Natur und ihren Bedürfnissen. Und was den Umgang mit den Weiterungen dieser Bedürfnisse betraf, so hatte sie in den vergangenen Monaten gelernt, wie formbar Körper und Geist eines Menschen waren, welch starken Willen zum Überleben sie selbst hatte. Genau wie die Kinder würde sie alles Nötige tun, und versuchen, den Schaden für ihre Seele möglichst gering zu halten. Ebenso wie sie befand sie sich in der Gewalt der Göttin, sie versuchte, Herrin ihrer Handlungen zu bleiben, so gut es ging, während Slya ihren Weg lenkte. An der hohen steinernen Einfassung entlang schritt sie zum Tor und betrat den Pferch.
Taguiloa kauerte am Lagerfeuer, zerschlug mit dem Griff seines Messers dicke Brocken Kohle, warf die Bruchstücke gemächlich, in hohem Bogen, mitten in die Flammen. Er hob den Blick, als Brann ins Helle trat, setzte dann seine
Tätigkeit fort. Brann zögerte, strebte hinüber, blieb bei ihm stehen.
»Wie viele waren's?« erkundigte sich Taguiloa.
»Sechs. Wie hast du's gemerkt?«
»Ich habe mir einiges zusammengereimt. Habt ihr sie alle gekriegt?«
»Ja.«
Taguiloa warf eine Handvoll schwarzer Klumpen ins Feuer, wischte sich auf den Steinplatten der Feuerstelle einen Großteil Ruß von den Händen. »Ihr drei habt schon ziemlich ausgelaugt ausgesehn«, sagte er nach einem kurzen Weilchen des Schweigens.
»Wir würden dir oder den anderen niemals was antun.«
»Antun. Ich frage mich, was du damit wohl meinst.« Ohne Brann anzuschauen, klopfte er mit dem Messergriff auf einen neuen Kohlebrocken. »Was wird geschehen, wenn wir in Durat sind?«
»Keine Ahnung. Woher soll ich's wissen? Ich muß die Meinen finden, meinen Vater, meine Brüder, sie irgendwie befreien. Das wußtest du, als du dich mit mir eingelassen hast. Ich möchte mich nicht zwischen dir und den anderen einerseits und meinen Verwandten andererseits entscheiden müssen, Taga. Wenn es sich machen läßt, halte ich dich aus allem heraus. Sobald wir in Durat sind, verlasse ich die Truppe. Ich werde mein Äußeres verändern.« Sie hob die Schultern. »Was könnte ich mehr tun? Du warst dir darüber im klaren, daß es mit Gefahren verbunden sein könnte, mich nach Durat mitzunehmen. Du hast gewußt, was ich bin. Willst du jetzt 'n Rückzieher machen?«
»Du könntest mein Untergang sein.«
»Ja.«
»Mir die Arbeit unmöglich machen, überall wo Temueng sind.«
»Ja.«
»Das war dir schon in Silili klar.«
»Ja.«
»Inzwischen kennst du uns ganz gut. Wir sind Freunde geworden, und falls nicht Freunde, so doch Kollegen. Trotzdem würdest du dich also, wenn's sein muß, nicht scheuen, uns ins Unglück zu stürzen.«
»Ja.«
»Na schön. Wenigstens sind wir offen zueinander.« Plötzlich lächelte Taguiloa, verzog auf eine Weise spöttisch die Lippen, als ob er sich über sich selbst belustigte. »Du hast recht. Ich habe mich wissentlich auf diese gewagte Sache eingelassen. Dein Gold fürs Zustandekommen der Vorstellungsreise und die Gelegenheit, womöglich mit dem Kaiserlichen Siegel ausgezeichnet zu werden, gegen die Möglichkeit, daß du uns ins Unheil bringst.« Er berührte die eigene Schulter. »Tungjii hat mit Kleinmütigen kein Herz. Ich mache weiter. Was deinen Vorschlag angeht, die Truppe zu verlassen, so würdest du damit vielleicht mehr Aufmerksamkeit
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