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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Andurya Durat, das Fremdenviertel, in dem sich ein tatenlustiger Pöbel nichttemuengischer Fremdlinge drängte. Schiffseigner und Kaufleute aus allen vier Himmelsrichtungen, angelockt vom Wohlstand des alten Königreichs. Schausteller aller Art, die hofften, vor dem Kaiser auftreten und von da an mit dem Kaiserlichen Siegel prunken zu dürfen. Handwerker der verschiedensten Sorten, viele von ihnen standen unter Vertrag, hatten die Aufgabe, die vergoldete Pracht der Riesenstadt instandzuhalten und ihr — außerhalb der Mauern des Fremdenviertels — neue prächtige Bauten zu errichten. Schank- und Gastwirte, Bauern von den umliegenden Höfen — meistens Hina —, die Fleisch und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse heranschafften, Schreiber, Dichter, Maler, Magier und Priester, Bettler, Diebe und Huren. Und Kinder, Schwärme und Horden von Kindern, füllten jeden Winkel, jede Lücke. Verwundene Straßen, enge Wohnhäuser mit mehreren Stockwerken, Geschäften im Erdgeschoß und wahren Irrgärten von Kammern in den Obergeschossen, Schankstuben, Lagerhäuser, Märkte, alles befand sich in kaum gemäßigter Wirrnis neben- und hintereinander, durchwogt von unaufhörlichem Lärm, Gerufe, Gezänk, von verschiedenerlei Musik, die sich gegenseitig übertönte, rauhkehligem Gesang, Höker und Hökerinnen priesen ihre Waren an, Möwen kreischten, Tauben gurrten, Spatzen und Meisen zwitscherten und zirpten, mehrerlei Aasvögel hörte man harsches Krächzen ausstoßen, aus großen Höhen ertönten die Rufe von Falken, die dort schwebten, im Flug zeichneten sie sich scharf und klar gegen den Himmel ab wie die zweischneidigen Äxte der Scharfrichter.
    In diese lautstarke, farbenfrohe, mannigfaltig gemischte, vielsprachige Gemeinde begab sich nun Taguiloa mit seiner Begleitung, ein Farbklecks mehr in einer Buntscheckigkeit, so vielfältig in den Abstufungen ihrer Farbtöne und gleichzeitig aufdringlich in den Farben wie vom Frost verfärbte Blätter im Wirbelwind, brachte seine Truppe zu der Herberge, in der er und Gerontai schon damals abgestiegen waren, als sie sich um einen Auftritt vor dem Kaiser bemüht hatten.
    Papa Jao saß vor seiner Herberge auf einer Art von Thron, auf dem er jeden Temueng überragte, einem wahllos aus zerbrochenen Ziegeln und Bauschutt aufgetürmten Buckel, gefestigt mittels eines selber hergestellten Mörtels, der mit den Jahren immer härter und dunkler wurde, so daß man die einzelnen Schichten der Aufhäufung so deutlich erkennen konnte wie die Streifen auf der Schale einer Muschel. Auf diesem Höcker hatte er sich einen Sitz mit Rücken und Armlehnen sowie Polsterkissen aus alten Lederresten gebaut. Er schnitt damit auf, niemals ein Gesicht zu vergessen, und wahrscheinlich sprach er diesbezüglich sogar die Wahrheit, denn er stützte die Hände auf die Armlehnen, sobald er Taguiloa sah, beugte sich vor. »Taga«, rief er, »kommst du, um endlich dein Glück zu machen?«
    »Das weißt du doch, Papa Jao. Wie steht's?«
    »Die Zeiten sind schwer und karg, Taga, schwer und karg.« Jaos schwarze lichte Augen hefteten den Blick mit ihrer nimmermüden Neugierde auf den Kastenwagen und die übrige Truppe. »Aha, aha!« Er gluckste vor Heiterkeit. »Du bist's also, der das ganze Geld aus den Börsen der Jamara gekitzelt hat.« Das Glucksen steigerte sich zu einem kurzatmigen Gelächter, das jede schlaffe Hautfalte inner- und außerhalb seiner Kleidung schüttelte. Er war ein Mann mit der Gestalt einer Birne und einem ähnlich birnenförmigen Kopf, dicken Backen und einem fransig-zottigen weißen Schopf, den er hinten zu einem Haarschwanz zusammenband, so wild wie der zwischen steinerne Mühlräder geratene Schweif eines Bergpferdchens. »Wieviel Zimmer braucht ihr? Vier? Freilich, sind zu haben, zweites Stockwerk, gutes Zimmer, jedes 'n Silberling je Woche, bist du einverstanden? Ja wahrhaftig, ausnahmsweise einmal stimmen die Gerüchte!« Er neigte sich seitwärts. »Jassi!« schrie er. »Jaaas-si, heraus mit dir, du Schlupfwespe!« Er drehte sich wieder den Ankömmlingen zu. »Ihr wollt die Pferde im Stall unterbringen und den Wagen im Hinterhof abstellen? Einen Silberling die Woche für die Pferde, Futter inbegriffen, drei Kupfermünzen für den Abstellplatz ... Ach was, schon recht, den laß ich euch umsonst.« Erneut wandte er sich um. »Angait— Angaaa-it! Komm her und weise Saö Taguiloa ein!«
    Am Tag darauf widmete sich Taguiloa hartnäckig der schwierigen, umständlichen und zermürbenden

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