Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
Fenster und versuchte die Vorhänge zur Seite zu ziehen, doch ihre Geisterhände griffen glatt durch den weichen dunklen Samt. Sie kreischte vor Erbitterung auf, kehrte hastig zurück. »Ins Wasser!« heulte sie aufgebracht.
    Brann nickte. »Sie war viel zu stark, als daß man bei ihr unvorsichtig sein dürfte. Es ist besser, sie modert in den Fluten, bis die Gezeiten ihr Gebein fortspülen. Öffne mir das Fenster, oder möchtest du«, — mit einer Gebärde der Hand deutete sie auf die hutzlige Gestalt —, »sie tragen?«
    »Gaah, nein.« Aituatea überstieg ein Bein, das sich am Boden krümmte, eine Hand, die dahinkrabbelte, machten einen Bogen um den Kopf, der noch immer lautlos den Mund bewegte, zerrte die Vorhänge beiseite und klappte die Fensterläden auf.
    Wind fauchte ins Zimmer, kalt und voller Tanggeruch, blies die Lampe aus, fegte über die seidenen Steppdecken, riß Aituatea die Läden fast aus den Händen. Er erfaßte das kürzere Haar über Branns Ohren, wehte es ihr vom Kopf nach hinten, und aus den Haarspitzen knisterten Funken blauweißen Feuers. Sie rümpfte die Nase, strich sich unwillig übers Haar, die Hand im Geflacker des Funkenstiebens fast unkenntlich. »Halt den Kopf hoch!« murmelte sie Hotea zu, die wieder drauflosschnatterte, sie umtänzelte. Sie hob die Überreste der Hexe auf, knurrte aufgrund der Anstrengung, schleppte sie zum Fenster und schob sie hindurch. Hotea an seiner Schulter, stellte sich Aituatea neben sie und beobachtete, wie die Mumie, so wie vor einem halben Jahr Hotea, aufs windgepeitschte Wasser hinabstürzte, hineinklatschte und versank.
    Hotea gab einen leisen Seufzer der Genugtuung von sich, tätschelte ihrem Bruder die Wange. »Eine Ehefrau«, sagte sie. »Hör diesmal auf mich, nimm dir eine Frau, Bruder!« Noch ein Seufzlaut erklang; dann war sie verschwunden.
    Aituatea rieb sich die Schulter. Er war sie los. Er blickte zum Fenster hinaus, ohne etwas zu sehen. Seit sie von den Toten zurückgekommen gewesen war, hatte er sie heimlich und auch unverhohlen verflucht. Als sie noch lebte, hatte er sie nicht weniger verwünscht, Abneigung gegen sie empfunden. Sie hatte ihn das meiste von allem gelehrt, was er wußte und konnte, ihn gestichelt, bis er sich die Fähigkeit aneignete, sein zu kurzes Bein zu vergessen; sie hatte ihn gescholten, getröstet und zum Durchhalten bewogen, wenn die Dinge schlecht standen. Immer war sie bei ihm gewesen. Und nun war er sie los. Allein.
    »Hina.« Er hörte das Wort, aber es schien für ihn ohne Bedeutung zu sein. »Hina!« Die Stimme klang schärfer, erheischte Aufmerksamkeit.
    »Was?« Er wandte den Kopf, sein Blick suchte die Sprecherin.
    »Das Schwert. Die Waffe, die du so umklammerst. Darf ich sie sehen?«
    Aituatea senkte den Blick. Er lehnte, die Fäuste um den Griff, auf dem langen Schwert, die Spitze hatte den Teppich durchbohrt, stak darunter im Fußboden. Mit einem kräftigen Ruck mußte er es herausziehen, ehe er es heben konnte. Er betrachtete es, erinnerte sich an die Lebendigkeit, die er darin gespürt hatte, als seine Hände es schwangen, schüttelte den Kopf; gegenwärtig verstand er ohnehin kaum etwas von allem, was sich zutrug, und er hielt Brann das Schwert hin.
    Sie besah sich die Hände. Im schattenhaften Zwielicht des Schlafgemachs glommen sie schwach. »Nein, lieber nicht. Leg's mir aufs Bett!« Kurz zögerte sie. »Hina, laß mich dich berühren!«
    »Warum?« Argwöhnisch wich er, das Schwert noch in der Hand, vor ihr zurück.
    »Slyas Odem, Mann, glaubst, ich wollte noch mehr vom gleichen verschlingen? Ich habe davon in mir bereits ein Übermaß. Hör zu, du bist erschöpft, hast Beschwerden, und wir müssen fort, das Kliff hinab. Ich vermag nicht nur zu nehmen, ich kann auch geben. Einige Stunden lang wirst du dich fühlen, als hättest du Awsengatsa-Kraut gekaut, sonst nichts. Du brauchst mir lediglich die Hand zu reichen.« Sie streckte ihm, die Handfläche nach oben gekehrt, eine Hand entgegen und wartete.
    Aituatea musterte Brann; sie wirkte ungeduldig. In seiner Hüfte wütete Schmerz; er hatte sich heute nacht stark beansprucht. Schultern und Arme schmerzten, an einem Fuß hatte er Abdrücke von Zähnen, im Magen schienen Eisbrocken zu lasten. »Das Kraut, hä?«
    »Aber ohne die Folgen.«
    »Ich könnte tatsächlich einen Blick auf Jah'takashs erfreulichere Seite vertragen.« Aituatea warf das Schwert aufs Bett, schloß die Faust um Branns Hand. Ein Gefühl wie von warmem Wasser strömte sanft in

Weitere Kostenlose Bücher