Brann 01 - Seelentrinkerin
verwandelte sich in Dunst und kroch unter der Tür durch. Einen Augenblick später hörte man ein gedämpftes Tunk, als die Verriegelung aufschnappte, dann einen durchdringenden wilden Aufschrei. Brann warf sich gegen die Tür, drosch mit dem Handballen gegen den Türspalt, stieß die Flügel auseinander. Sie stürmte ins Zimmer, verharrte vor Yaril, die auf dem Teppich kniete, den Blick fest auf die Hexe geheftet.
Ludila Dondi erhob sich schwungvoll aus dem Bettzeug, Wut machte ihr Gesicht häßlich, im trüben Licht wirkte der nackte Körper gelblich wie Elfenbein, in ihrer Wildheit und der kraftvollen Behendigkeit ihres Aufspringens glich sie einer Tigerin. Sobald sie Brann sah, verhielt sie auf dem Bett so ruckartig in ihrem Vorwärtsschnellen, daß sie aus dem Gleichgewicht geriet. »Du.« Sie rutschte vom Bett und kam auf Brann zu, die mörderischen gelben Augen unverwandt auf sie gerichtet, ohne auf die übrigen Eindringlinge zu achten.
Jaril ergriff Yarils Hand. Nach kurzer stummer Verständigung schwebten sie als Kugeln bernsteingelben Feuers empor, erleuchteten den Raum mit grell-goldgelber Helligkeit.
Der Tekora befreite sich mit Tritten aus den Steppdecken und wälzte sich vom Bett, stand im nächsten Augenblick so nackt da wie die Hexe, allerdings weniger wach und handlungsfähig. Aituatea musterte ihn, spürte etwas wie Weißglut im Bauch. Der Temueng war nicht länger ein alter Mann, vielmehr hatte er einen festen, sehnigen, gelenkigen Körper, er sah aus wie ein Mann in den besten Jahren, zeichnete sich durch Stärke aus, die er mit dem Blut der eigenen Kinder erkauft, eine gräßliche Kraftfülle, die Hotea das Leben gekostet hatte. Er beobachtete die zwei Frauen, langte nach oben und zog mit einem leisen metallischen Gleitgeräusch das lange Schwert aus der Scheide, die überm Kopfende des Betts hing. Zweimal schwang er es überm Scheitel, lockerte den Arm. Er schenkte Aituatea nur einen Blick, tat seine Anwesenheit als unwichtig ab. Er setzte sich hinüber zu Brann in Bewegung.
Die Dondi und Brann kreisten in einer Art von unregelmäßiger doppelter Schraubbewegung umeinander, näherten sich allmählich gegenseitig an, jede die Aufmerksamkeit so eindringlich, so ausschließlich der anderen gewidmet, daß es niemand anderes mehr für sie zu geben schien. Hotea umflatterte sie nachgerade, zog weitere Kreise, blieb stumm, jedoch gingen von ihr Schwingungen des Zorns aus.
Die Feuerkugeln loderten lebhafter, dann schoß eine von ihnen dem Tekora geradewegs ins Gesicht. Er riß die freie Hand hoch, um sie wegzuschlagen, schrie auf, als sich auf seiner Haut Blasen bildeten; er wirbelte herum und hieb mit dem Schwert nach der Feuerkugel, die Klinge sauste mitten hindurch, ohne ihr etwas anzuhaben. Sie sank vor ihm abwärts, war schon, als sie den Fußboden erreichte, eine Bulldogge geworden. Der Hund sprang den Mann an — nein, die Hündin: Yaril —, knurrte aus der Tiefe der Kehle. Aituatea zückte das Messer aus der im Ärmel versteckten Scheide und schleuderte es nach dem Tekora. Die Klinge durchbohrte die dicke Schlagader am Hals des Tekoras. Es hätte ein Schwall von Blut hervorspritzen, der Tekora hätte als Todgeweihter niederstürzen müssen.
So hätte es kommen sollen. Aber der Tekora riß sich das Messer aus der Wunde, schmiß es beiseite. Die Halswunde schloß sich sofort. Er hob das Schwert und stapfte auf Aituatea zu.
Hastig spähte Aituatea umher, packte einen Schemel und warf ihn dem Temueng entgegen, traf ihn am Ellbogen, unwillkürlich öffnete sich des Tekoras Faust, das Schwert flog auf die zerwühlten Bettdecken. Die Yaril-Dogge schnappte ihm nach der Gurgel, doch er konnte noch einen Arm hochreißen, und statt in den Hals verbissen sich die krummen gelben Zähne in den Arm; Yaril zerfleischte den Arm und trat mit ihren kräftigen Hinterbeinen zudem den Tekora in den Unterleib.
Aituatea wich zurück. Ludila Dondi hatte, während sie Brann umkreiste, einen Gesang angestimmt, ein Singsang uralter Worte drang ihr in verwickelter Melodie, von der etwas Zwingendes ausging, über die Lippen. Als die Tür aufflog und Aituatea sie vom Bett hatte hochfahren sehen, hatte er sie für völlig nackt gehalten; jetzt jedoch sah er, daß ihr an einer silbernen Kette Spiegel um den Hals hingen, kleinere Spiegel an den Ohrläppchen baumelten, andere Spiegelchen in an beiden Handgelenken getragene Armreifen staken. Sie bewegte Oberkörper, Arme und Kopf im Gegentakt zur Melodie ihres Singens,
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