Brann 01 - Seelentrinkerin
seinen Körper über, es hatte eine beruhigende Wirkung, die Wärme vertrieb seine Beschwerden, seine Schmerzen, verscheuchte die Müdigkeit. Schon nach ein, zwei Atemzügen nahm Brann die Hand zurück. Aituatea wünschte, es hätte länger gedauert, wagte jedoch nicht, sich aufzudrängen. Er schlug die Augen auf. »Ich schulde der Meisterin aller Überraschungen eine Handvoll Räucherwerk.« Er schaute vom Schwert — es glich einem gleißenden Streifen auf der Seide der Steppdecken — zu dessen Scheide an der Wand überm Bett. »Deshalb bist du nach Silili gekommen, nicht wahr?« Er stieg aufs Bett, holte die Scheide herab, schob das Schwert hinein, hüpfte vom Bett.
»Richtig. Das ist Schlangenzahn, Sulinjoas zuletzt gefertigtes Schwert, jene Klinge, die er für ... Wie hieß er doch? Jedenfalls ist es für euren letzten Hina-König geschmiedet worden. Es schneidet stets die Hände seines Besitzers. So wird's zumindest behauptet. Seine Gemahlin - sie soll eine Art Dämon gewesen sein - fluchte dem Schwert, als er die Klinge das letzte Mal im Blut ihres jüngsten Sohns kühlte.« Sie ließ sich das Schwert reichen, diesmal ohne Zögern, zog es aus der Scheide, schnalzte mit der Zunge, als sie die Blutflecken auf der Klinge erblickte, benutzte den Saum des Vorhangs, um sie sauberzuwischen, putzte sachte Stahl mit Samt, hielt dann die Waffe ins Mondlicht, erzeugte erneut mit der Zunge Schnalzlaute, als sie die noch verbliebenen Blutspuren sah. »Wenn ich wieder an Bord des Schiffs bin, muß ich es gründlicher säubern.« Langsam und sorgsam schob sie die Klinge zurück in die Scheide. »Euer König hat Sulinjoa damit das Haupt abgehauen, auf daß er niemals für jemand anderes ein besseres Schwert schmiede. Der Temueng, der sich zum Kaiser aufgeschwungen hat, tötete mit dieser Waffe euren König, verschenkte es anschließend an einen Gefolgsmann, den er nicht sonderlich schätzte.« Sie lachte verhalten. »Auch der Gefolgsmann hat die Schenkung nicht lange überlebt.«
»Wer will denn das Schwert mit einer solchen Vorgeschichte haben?« Aituatea schielte die Waffe voller Abscheu an; dann fiel ihm wieder ein, wie sie sich in seiner Faust angefühlt hatte. Er schüttelte den Kopf.
»Jener Mann, der mir dafür fünftausend in Gold zahlen wird.« Brann schaute zu Boden, verzog das Gesicht und trat die Hand weg, die ihr am Fuß entlangkroch. »Er ist kein Freund, ein Umstand, der mir lieb ist, weil's ja den Anschein hat, als wäre jener alte Fluch noch wirksam.«
Aituatea brummte und begann nach seinem Messer zu suchen, nicht dazu bereit, hier etwas von seinen Habseligkeiten zurückzulassen. Als unversehens über ihm helles Licht aufleuchtete, hob er den Blick. Über ihm schwebte eine Feuerkugel. »Danke«, sagte er leise. Er fand das Messer an der Seite eines Schränkchens, wischte es am Teppich ab, steckte es ein. Das Licht erlosch.
Brann beugte sich gerade aus dem Fenster, als sich Aituatea aufrichtete. »Die Morgendämmerung naht«, sagte sie, als sie sich zurück ins Innere des Zimmers wandte. »Es empfiehlt sich, nun schleunigst zu verschwinden.« Mit Gekicher flog etwas an Aituatea vorbei. Aus einem Leuchten überm Bett hagelten fingerlange Gold-und Silberbarren, Ringe sowie Armreifen und bildeten auf der Seite einen Haufen. »Für dich«, erklärte Brann. »Eine Gabe Yarils und Jarils. Sie dachten, du solltest für deinen jüngsten Verlust eine gewisse Entschädigung erhalten.«
Plötzlich war es eine Eule, die über dem Bett flatterte, in den Klauen einen rundlichen Lederbeutel. Mit Rufen, die wie unheimliches Gelächter klangen, schwirrte sie zum Fenster hinaus in die Nacht. Eine zweite Eule mit einem ähnlichen Beutel zeigte sich, sauste der ersten Eule hinterdrein. Betroffen führ sich Aituatea mit der Hand übers Gesicht. Während des letzten Weilchens hatte er das Gefühl der Vereinsamung, das ihn unmittelbar nach Hoteas Abgang befiel, schon aus dem Bewußtsein verdrängt gehabt; jetzt war ihm beides zuwider, an seinen Verlust erinnert zu werden ebenso wie die Einsicht, dermaßen leicht durchschaubar zu sein. Doch dies war nicht der rechte Augenblick, um sich Ärger oder Trauer hinzugeben. Er entledigte ein Kissen des Bezugs, füllte das Gold und Geschmeide hinein, verknüpfte die Zipfel zu einer Schlinge, durch die er den Arm schob, so daß er beide Hände frei hatte. »Fliehen wir auf dem Wege, wie wir hereingelangt sind?«
»Ja, es sei denn, du wüßtest eine Möglichkeit, um uns an den Wachen
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