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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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die Muskeln. Das Paar half ihr beim Verwinden des Schreckens, gewährten ihr den Halt, den sie brauchte, bis sie wieder aus eigener Kraft auf den Beinen zu stehen vermochte.
    »Was war das?« Yaril blieb an Branns Seite, hielt ihre Hand.
    Brann bewegte die Schultern, spannte die Finger an, empfand die sogar leicht schweißigen Kinderhände, die sie berührten, als angenehm menschlich. »Ich weiß es nicht. Ich glaube ... ich glaube, es war Slya, die sich meiner bemächtigt hat.«
    »Oh!« Einige Atemzüge lang bewahrten beide Kinder vollkommenes Schweigen; danach tat Yaril ruhig eine wohl absichtlich völlig nüchterne Äußerung. »Am besten schneiden wir nun deine Leute los.«
    Während sie gemeinsam durch die Bäume zur Lichtung strebten, blickte Jaril zu Brann auf. »Was tun wir danach, Brombeer? Kehren wir mit deinen Leuten zurück ins Tal?«
    Brann hielt inne. »Eigentlich wollte ich's ... bevor ich von Papa gehört habe ... Meint ihr, wir könnten's schaffen, auch ihn zu befreien?«
    Jaril grinste. »Warum nicht?«
    Brann verharrte in den Schatten einiger verkümmerter Erlensträucher, eine unsichtbare Hand hemmte ihre Schritte, eine Mauer aus Luft trennte sie von ihrer Mutter und den übrigen Überlebenden Arth Slyas auf der Lichtung. Keine Worte erschollen, ihr kamen keinerlei Hinweise zu, sie spürte nichts, und doch wußte sie mit einem Mal, daß sie in Arth Slya nichts mehr zu suchen hatte. Sie sank auf die Knie, schwang die Beine nach vorn, setzte sich mit im Schoß gefalteten Händen nieder, spähte durch ein dünnes Gefächer fingerdicker Triebe und spärliches Flechtwerk aus Laub hinüber zum Lager. Die Kinder wechselten Blicke der Ratlosigkeit, dann kauerten sie sich wortlos neben sie.
    Ohm Migel hatte sich bei einem Pfosten auf die Knie hochgerafft, schaute sich nach allen Seiten um. Er fuhr sich mit der Hand über den Mund, klaubte vor seinen Knien auf der Erde herum, nahm einen Erdklumpen und warf ihn nach einem der in Decken gewickelten Krieger. Er äußerte ein Brummen, als der Klumpen traf, auf dem Mann zersprang, Brocken über ihn und den Untergrund ringsum flogen. »Sie schlafen nicht«, sagte er, steckte zwei Finger in den Mund, stieß einen gellenden, durchdringenden Pfiff aus. »Hm, will mir so scheinen, als wären sie alle tot.«
    »Wieso?« Das war die Stimme von Branns Mutter.
    »Alle?« Tante Seansi kniete neben ihr. »Ja, ich glaub's, Migel, dein Pfeifen könnte ohne weiteres die Bewohner Grannshas wecken.«
    Migel klammerte seine dicken Finger um den Pfahl und wackelte ihn hin und her, dann riß er ihn mit einem lauten Aufächzen aus dem Untergrund. Er rappelte sich hoch, die mit demselben Strick aneinandergebundenen Dörfler standen gleichzeitig auf, alle acht umrundeten die Pfosten und strebten zu der Zweierreihe ausgestreckter Krieger. Migel trat einem Temueng die Decken weg, zog ihm ein Messer aus dem Gürtel und schnitt sich los. Er zertrennte auch das um den Hals geschlungene Seil, warf danach das Messer mit eingefleischter Geschicklichkeit hinüber zu Branns Mutter, vor der es sich ins Erdreich bohrte, die es mit dem Ausruf »Slya!«, der aus tiefstem Herzen drang, an sich nahm und sich vom Pfahl losschnitt. Als sie sich befreit hatte, gab sie das Messer weiter an Seansi und ging zu einem Stapel Brennholz, von den Kriegern am Vorabend geschlagen, trug Reisig zu einer freien Stelle, benutzte dort Zunder und Feuerstein, gefunden bei einem der Toten, um ein Feuer zu entfachen.
    Brann beobachtete das Durcheinander der geräuschvollen Betriebsamkeit auf der Lichtung, der Stolz auf die Zähigkeit ihres Völkchens erwärmte ihr Inneres. Heimgesucht vom Entsetzen und den Gewalttätigkeiten des Überfalls, aller Hoffnung beraubt, fortgeschleppt, einem unbekannten Schicksal entgegen, nun inmitten lautlosen Todes aufgewacht, von dem sie sich nicht vorstellen konnten, wie oder wann er zuschlug, hockte jetzt doch keiner von ihnen trübselig herum oder beschränkte sich aufs Jammern, vielmehr sah jeder oder jede Gefangene, sobald er oder sie des Stricks ledig war, was es zu tun galt, und tat es. Zeit zum Grausen und Trauern fand man später. Dies war die Stunde, um sich den Bauch mit Essen zu füllen und siedendheißen Tee zu trinken, damit das Blut in Bewegung kam. Jetzt war es erforderlich, die Maultiere und Kleinpferde aus dem mit Seilen um sie geschaffenen Pferch zu holen, die von den Kriegern aus dem Tal mitgenommene Beute irgendwo sicher zu lagern, wo man sie beizeiten finden konnte,

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