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Brann 01 - Seelentrinkerin

Brann 01 - Seelentrinkerin

Titel: Brann 01 - Seelentrinkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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um sie zurückzuholen. Binnen einer geschäftigen halben Stunde räumte man den Lagerplatz auf; nur die Leichen der Krieger ließ man unangetastet (allerdings legte man den Leichnam des Pimush, als man ihn entdeckte, zu den übrigen Toten, und die Dörfler, die das taten, stapften dicht an Brann und den Kindern vorbei, doch was diese daran hinderte, die Lichtung zu betreten, verhinderte ebenso, daß jemand sie sah). Danach schwangen die Dorfbewohner sich auf die Maultiere und Pferdchen und ritten heim; wer kein Reittier hatte, lief im Laufschritt mit. Nach einem kurzen, wenngleich hitzigen Streit blieben das Roß und der Besitz des Pimush zurück. Onkel Migel wollte das Pferd mitnehmen, Branns Mutter war entschieden dagegen. Inar, Seansi und ein Dutzend andere Dörfler redeten Migel die Absicht aus. Das Roß, ein richtiger Renner, stammte offensichtlich aus edlem Gestüt, jeder mußte auf den ersten Blick merken, daß man es nicht im Tal gezüchtet hatte. Migel wandte wiederholt ein, daß jeder, der ihnen im Tal nahe genug kam, um das Pferd zu sehen, ihnen ohnehin zu dicht auf die Pelle rückte. Die anderen hielten ihm dagegen, es brauchte bloß irgendeinem Außenstehenden das Roß flüchtig ins Blickfeld zu gelangen, und ihnen sei, wenn er es den Temueng melde, neuer Unsegen gewiß. Wolle er ein solches Tier haben, solle er auf der nächsten Messe eines kaufen. Als die Dorfbewohner zuletzt die Lichtung verließen, rumpelte der Berg für die Dauer einiger Atemzüge, verstummte wieder, so als lache Slya: Die Krieger tot, die Einwohner Arth Slyas kehrten heim, um ihre Häuser wiederaufzubauen, und Brann hatte ihr Sinnen und Trachten auf den Temueng-Kaiser gerichtet, als wäre sie ein Pfeil.
    Während der Morgen heller und wärmer wurde, als die Sonne höherstieg, hockte Brann noch immer da und starrte auf die leere, verlassene Lichtung, ohne etwas zu sehen. Sie war nicht müde, nicht schläfrig; sie fühlte sich lediglich ausgehöhlt.
    »Brombeer.« Yarils Stimme erheischte Aufmerksamkeit. Brann schaute sich mit blicklosen Augen um. »Hier.« Yaril gab ihr einen warmen Becher in die Hand.
    »Trink das!« Als Brann sich nicht regte, nur den Becher betrachtete, ließ das Wandelkind ein gedämpftes Fauchen hören, ähnlich wie ein mißmutiges Kätzchen, schlang die Hände um Branns Finger und hob den Becher an die Lippen.
    Die kochendheiße Flüssigkeit verbrühte ihr nachgerade den Mund, aber Brann trank. Sobald sie den Becher leergetrunken hatte, entfernte sich Yaril, fand sich gleich darauf mit mehr Tee, schon etwas älterem Brot und dicken Stücken Käse ein, schimpfte mit Brann, bis sie zu essen anfing. Nahrung im Bauch zu haben, belebte ihren Willen neu, stattete sie mit neuer Antriebskraft aus; die Ausgehöhltheit, die sie empfunden hatte, war sowohl körperlicher wie auch seelischer Natur gewesen; das begriff sie, bevor schließlich Jaril ihr das Roß des Pimush brachte, das Tier trug sein bisheriges Zaumzeug, aber Branns Sattel und Gepäck, um einiges Nützliche ergänzt. Das Pferd war ein herrliches schönes Tier — kein Wunder, daß Ohm Migel ein Auge darauf geworfen hatte —, es tänzelte, schnaubte aus den Nüstern, aber die Berührung von Jarils Hand beruhigte es, als Brann Anstalten zum Aufsitzen machte.
    »Hinauf mit dir!« rief Jaril. Er umfaßte ihre Oberschenkel, warf sie regelrecht auf das schnaubende Roß, überraschte sie wieder einmal mit seiner Körperkraft; weil sie ihn so oft als zarten Knaben oder unstoffliches Schimmern inmitten der Luft sah, ließ sie sich vom augenfälligen Schein immer wieder dazu verleiten, ihn zu unterschätzen. Sie setzte sich im Sattel zurecht, unternahm ihrerseits einiges, um das Pferd an sich zu gewöhnen, streichelte, besänftigte es, stellte gleichzeitig klar, daß sie sich von ihm keinen Unfug bieten zu lassen gedachte.
    Zu guter Letzt ritt sie von neuem bergab, hielt das Roß, das manchmal übereifrig losrasen wollte, in stetem leichten Galopp. Gefleckte Jagdhunde liefen neben ihr mit oder verschwanden zu Erkundungsstreifzügen im Wald. Der Bergpfad folgte nach wie vor dem Verlauf des Flusses, führte an den Seiten von Hohlwegen entlang, durchdröhnt vom Rauschen von Wasserfällen, bog nur — gleichsam widerwillig — vom Strom ab, wo Fluß und Klippen in von Regenbögehen durchflimmerten Dunstschleiern verschwammen. Hinab ging es, immerzu abwärts, ohne Aufenthalt, Brann saß im Sattel, trank aus dem Wasserschlauch des Pimush, mißachtete das fortwährende

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