Brann 01 - Seelentrinkerin
was es bedeutet, wenn ihr's im Zusammenhang mit mir verwendet.«
»Es soll besagen, du wirst immer in deinem gegenwärtigen Alter bleiben, außer du wünschst's zu wechseln.«
»Dazu seid ihr imstande?«
»Tja, wir müssen's wohl, nicht wahr? Wie wir dir schon erläutert haben, Brombeer, wir sind nun ein dreieiniges Ganzes, wir drei, zwar bist du mehr Grenzen als wir unterworfen, jedoch vermögen wir durchaus auch deine Gestalt in gewissem Maße zu verändern. Nicht viel, es kostet gewaltige Kraft, aber ... Nun ja, du wirst's sehen. Hier, Stiefel. Auch von Mareddi. Könnten ein wenig zu weit sein.«
»Wie komisch.« Brann strich sich mit der Hand über den Kahlkopf. »Bleibe ich glatzköpfig? Ich wär's lieber nicht.« Sie zog die Stiefel an, rammte die Füße hinein.
Yaril kicherte. »Wart's ab, könnte ich sagen. Doch nein, Brombeer. Das Haar hat schon nachzuwachsen begonnen.«
»Ich habe Hunger.« Brann besah sich die Decke, unter der sie geschlafen hatte, stieß sie mit dem Zeh an. »Was für'n Gestank, ich könnte 'n Bad vertragen.« Sie hob die Schultern, dann ging sie in die Richtung, aus der sie der Geruch gebratenen Coynos erreichte.
Am zweiten Tag, nachdem sie die Berge verlassen hatten, gelangten sie in ein kleines Dorf, wo Jaril für Brann einen langen Schal erwarb, den sie als Kopftuch benutzen und so die Haarborsten auf dem Schädel verbergen konnte, dazu Brot und Käse, etwas Speck sowie ein bißchen Tee, das die Frau, von der er die Sachen erstand, zu entbehren vermochte. Brann hatte gar nicht an die Notwendigkeit gedacht, über Geld zu verfügen, darum verblüffte es sie, als er unvermutet eine Handvoll Kupfer-und Bronzemünzen zückte, doch sie war geistesgegenwärtig genug, um in Hörweite Fremder den Mund zu halten. Erst später, während sie zwischen zwei Reihen schlecht gepflegter Begrenzungshecken eine zerfurchte Straße entlangritt, rief sie den Jagdhund, hob Jaril zu sich aufs Pferd. »Woher hast du die Münzen?« Sie lächelte versonnen, schüttelte den Kopf. »Ich hatte vollständig vergessen, daß wir nicht ohne Geld durch die Lande reisen können.«
»Aus den Geldbeuteln der Krieger und des Pimush. Sie haben daran keinen Bedarf mehr, wir hingegen sehr wohl.« Jaril lehnte sich in Kindsgestalt rücklings an sie, weckte bei ihr starke Gefühle der Mütterlichkeit, was sie überraschte, weil sie dergleichen noch nie empfunden hatte.
»Wieder etwas, von dem mir was zu sagen ihr euch erspart habt.«
»Du warst zu sehr damit beschäftigt, die Nase hängen zu lassen, um uns zuzuhören.«
»Hm-hm.«
Jaril bog den Kopf zurück, schaute sie mit einem Lächeln an, das sie zu stark an Marran erinnerte, um ihr wohlzutun, dann rutschte er von Branns Schoß, kam mit vier Hundepfoten auf dem Erdboden auf und lief voraus, um sich wieder zu Yaril zu gesellen.
Weitere Tage verstrichen, Brann ritt durch Dorf um Dorf, sah überall auf den Türmen der Herrenhäuser Temuengkrieger Wache halten. Furcht und Zorn der Einheimischen schienen so greifbar zu sein wie der Staub, den Pflüge und Zugochsen aufwirbelten, in den Dörfern war es still und ruhig, man traf nirgends Kinder an, jene ausgenommen, die mit ihren Eltern auf den Feldern arbeiteten. Es handelte sich um eine Art von Verheerung, die nicht mit Zerstörung einherging, Branns Wut neu anfachte, bei ihr einen gegen die Temueng gerichteten Grimm hervorrief, der an Mordlust dem Gift der Werschlangen nicht nachzustehen schien. Sie bemerkte, daß sie den Temueng sogar das Ausbleiben des Regens zum Vorwurf machte, obwohl die trockenen Tage und Nächte es ihr erlaubten, im Freien zu übernachten, wie es vonnöten war, denn die Bewohner der Ebenen waren mürrische, argwöhnische Menschen, und in den Ortschaften wimmelte es von Temueng.
Gegen Abend des siebten Tages nach Verlassen der Berge erreichte Brann die breite Handelsstraße von Grannsha nach Tavisteen, wandte sich darauf südwärts, ging zu Fuß, weil das Roß vor Erschöpfung zum Straucheln neigte, die Hunde blieben meistens voraus, zogen weite Kreise, achteten mit Nasen und Ohren auf etwaige Gefahren. Ab und zu kehrte einer von ihnen zu ihr zurück, lief eine Zeitlang an ihrer Seite mit, blickte wiederholt zu ihr auf, Reste von Tageslicht glommen in den Kristallen der seltsamen Augen. Der Himmel war stark bewölkt, dicke graue Wolken wälzten sich einher, drohten mit Regen, der jeden Augenblick ausbrechen mochte. Der Fluß strömte von der Landstraße fort und näherte sich ihr wieder, floß
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