Brann 01 - Seelentrinkerin
man sah an ihnen keinen Schmutz, keinen Schweiß, kein Härchen war unordentlich, ihre Gesichter waren sorgfältig barbiert, sie hatten die Fingernägel ihrer Hände lackiert, die wirkten, als hätten sie nie irgend etwas verrichtet, was Brann als Arbeit anerkannt hätte, ihre Sauberkeit hatte etwas Beunruhigendes an sich, sie zeugte von Kälte und Herrischkeit, flößte Brann, genau wie es ihr Zweck war, Furcht ein. Yaril spürte ihre Bangigkeit, löste sich in ein schwaches Schimmern auf, schwebte an der Wand entlang durch die Räumlichkeit, schoß durch die Männer und davon, bevor sie nur zu mehr als zum Zwinkern imstande waren, kehrte längs der Wand zu Brann zurück, verfestigte sich neben ihrer Schulter wieder zu Yaril. »Gib acht auf sie!« flüsterte das Mädchen. »Sie haben die Erlaubnis, mit jedem zu tun, was sie wollen, es sind Vollstrecker eines kaiserlichen Zensors.« Yaril tätschelte Brann am Arm. »Aber denke getrost daran, wer du nun bist, Seelentrinkerin!«
Brann erschauderte. »Mir gefällt's nicht ...«, setzte sie zu einer geflüsterten, jedoch heftigen Entgegnung an. Druck um ihren Arm brachte sie zum Verstummen. Sie hob den Blick. Von irgendwoher hatte sich ein vierter Mann genähert, stand nun an ihrem Tisch. Er zog einen Stuhl darunter hervor und nahm Platz. »Ich kann mich nicht dran entsinnen, Gesellschaft angefordert zu haben«, sagte Brann. Jaril war aufgestanden, verharrte an ihrer anderen Schulter. Brann verlor im Handumdrehen viel von ihrer Furcht; solange die Kinder ihr halfen, blieb dieser Temueng ein Nichts. Sie lehnte sich im Stuhl zurück, musterte ihn voller Haß und Verachtung.
Sein Blick schweifte an ihr auf und ab. »Für was soll man dich eigentlich halten?«
»Eine Seelentrinkerin.« Der von Yaril geprägte Begriff kam ihr ziemlich leicht über die Lippen. Sie schaute in das starre Gesicht des Temueng und lachte.
»Wer bist du?« Er sprach mit äußerster Geduld. Brann kicherte verunsichert, obwohl er und seine Schergen zweifellos keinen Anlaß zur Erheiterung boten. Als sie nochmals aufkicherte, packte der Temueng sie am Arm, grub ihr die Finger ins Fleisch. Er versuchte, Brann den Arm umzudrehen, sie für ihr Gelächter zu bestrafen, doch sie widerstand ihm — ein wenig zu ihrer eigenen Verblüffung — ganz mühelos, saß da und lächelte, während er bald um Atem rang, sein Gesicht rot anlief, die bedrohliche Ruhe von ihm wich. Aber er war kein Dummkopf, kannte sich, was die Mittel und Wege zur Einschüchterung betraf, gut aus. Wenn ein Vorgehen mißlang, mußte man es unterlassen, bevor man sich lächerlich machte, und etwas Wirksameres anwenden. Er hatte einen Fehler begangen, sie in der Gegenwart ihm unfreundlich gesonnener Augenzeugen herausgefordert. Er ließ Branns Arm los, lehnte sich zurück, drehte halb den Kopf, ersparte sich jedoch die Mühe, die Männer anzuschauen, an die er sich wandte. »Schmeißt sie hinaus!« befahl er ihnen. Brann sah zu, wie die Vollstrecker die Gaststube räumten, den Leuten bis in den Flur folgten, sich unterm breiten Türbogen aufstellten, der Stube den Rücken zugekehrt. Sie beobachtete den Temueng mit finsterer Miene, wußte, sie würde ihn töten, wenn es sein mußte. Die friedliebende Erziehung, die sie genossen hatte, und Slyas Gebot, alles Leben zu achten, mochten in einer solchen Umgebung hinderlich sein, doch Brann hatte vor, weder das eine aufzugeben, noch vom anderen zu lassen, solange man sie dazu nicht zwang. Sie hatte bereits genug Schreckliches erlebt, um für den Rest ihres Lebens Alpträume zu haben. Der Temueng wies mit dem Zeigefinger auf die Kinder. »Ihr zwei«, sagte er, »hinaus!«
»Nein«, sagte Brann.
Yaril blähte die Nasenflügel. »Hm«, machte sie.
»Das sind wohl deine Sprößlinge, was?«
»Wir sind die Bergkinder«, sagte Yaril, »geboren aus Feuer und Fels.«
Der Temueng schaute vom einen zum anderen Kind, drehte dann nochmals den Kopf. »Temudung, komm her!«
Einer der drei Männer am Eingang schwang sich herum und kam zum Zensor. »Saöm?«
Der Zensor zeigte auf Yaril. »Das Mädchen. Streck ihm auf der Theke etwas die Glieder. Sodann werden wir sehen, ob der Berg Antworten weiß.«
»Zensor«, meinte Brann leise, aber zornig, »hör auf meine Warnung! Rühr die Kinder nicht an. Sie sind nicht, was sie zu sein scheinen.«
Yaril schnob. »Laß es den Narren selber zu seinem Verderben herausfinden, Herrin!«
Der Vollstrecker achtete nicht auf den Wortwechsel, umrundete den Tisch, hob
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