Brann 01 - Seelentrinkerin
ziemlich gern hatte, er ihr nach Kräften helfen wollte. »Zu dumm«, sagte er. »Aber wir sind trotzdem Freunde, oder?«
Sie errötete, nickte. »Wär's anders ...« Umständlich öffnete sie die Tür, hastete hinaus.
Sammang folgte ihr in den Flur, blickte ihr nach, während sie die Treppen hinunterstieg, unterwegs langsamer wurde, bis sie wieder das Äußere jener kaltblütigen Hexe besaß, als die er sie kennengelernt hatte. Er schüttelte den Kopf, schloß die Tür von innen, ging zum Tisch und steckte die Unterlagen in eine Ledertasche. Diese Kinder ... Unheimliche kleine Bälger. Was für Augen sie hatten. Sie verändert ... Bei Primalaus Wabbeltitten! Bei dieser Vorstellung schauderte es ihn, trotz der Hitze lief es ihm kalt über den Rücken. Elf Jahre. Ihr so etwas anzutun ... Und mir. Er fuhr mit einer Hand über einen der mit Goldmünzen gefüllten Beutel, fühlte die Härte der sechseckigen Münzen in der Handfläche; danach schnürte er den Beutel auf und verteilte den Inhalt in seiner Kleidung. Die zwei anderen Beutel packte er in die lederne Tasche, auf die Papiere. Keine Waren mehr aus Arth Slya. Wenigstens für geraume Frist nicht. Und ich bin der einzige in Tavisteen, der es weiß. Er lachte vor sich hin, tätschelte die recht bauchig gewordene Ledertasche, summte ein munteres Liedchen. Noch war es zu früh, um sich ans Bestechen zu machen, doch würde es sich lohnen, vor der Abfahrt weitere Waren aus Arth Slya preiswert einzukaufen. Brann hatte das Gold ihm überlassen, es kümmerte sie nicht, was er damit anstellte, wenn er sie nur fortbrachte. Wenn sie ein paar Jahre älter geworden ist, was wird sie dann für eine Frau sein! Sie vermochte es mit dem ganzen verdammten temuengischen Kaiserreich aufzunehmen. Und sie würde sich behaupten, jawohl, er wäre sogar die Meermaid zu verwetten bereit, daß sie sich durchsetzte. Ich sollte den Haarigen Jimm drunten die Glotzer aufsperren lassen. Diese Menge Geld wäre für die zahlreichen Diebe, die überall lungerten, wie Honig für Bären. Er bückte sich, steckte sich das im Ärmel verborgene Messer in den Stiefel. Während er fortwährend vor sich hinsummte, verließ er die Kammer, schloß die Tür ab, stieg beschwingten Schritts die Treppen hinab, den überlieferten Kehrreim des Lieds verdrängte in seinem Kopf eine verführerischere Weise, der Sirenengesang der Handelsgeschäfte, bei denen Gewinn einen eindeutigeren Maßstab der Geschicklichkeit als alles abgab, was seinen Wert in sich selbst hatte. Keine Waren mehr aus Arth Slya, sang sein Verstand ihm vor, keine mehr, keine mehr, und wenn es sich herumspricht, wenn das sich herumspricht, dann steigen die Preise, steigen und steigen ... Du bist ein glücklicher Mann, Sammang Schimli, und dabei hättest du noch vor einer Woche mit einem armlosen Tintenfisch getauscht. Arth Slyas Waren werden selten, werden selten, werden immer seltener, noch weiß es niemand außer mir, daß von dort nichts mehr kommen wird ...
Die Temueng-Vollstrecker wühlten wie Heuschrecken in Sammangs Fracht, doch die geschmuggelten Schätze befanden sich tief im Innern der Ballen von Häuten und Vliesen verborgen. Seine Mannschaft machte es wie Lapalaulaus Kastrat und brachte alles wieder in Ordnung, verstaute Ballen und Fässer so, wie es sein mußte, wollte man mit der Meermaid auslaufen. Als die Sonne senkrecht überm Schiff stand und die temuengischen Läuse von Bord gegangen waren, die Meermaid an den Tauen dümpelte, als wünsche sie so eifrig wie Sammang abzulegen, stand er an der Reling, Wind wehte ihm das Haar in die Augen und Mund, wartete auf den Lotsen. Er beobachtete, wie der dürre Temueng (die Taschen schwer von Branns so umsichtig entwendetem Gold) sich vom Hafenmeister verabschiedete, der seine gewohnte Miene aus Mißmut zog, in ein Boot kletterte, steif und trübselig in dem Nachen saß, während die Untergebenen des Hafenmeisters ihn zur Meermaid ruderten. Flüchtig wunderte sich Sammang, wo Brann und die Kinder sein mochten, dann schlenderte er zum Bug, um dem Lotsen übers Schanzkleid zu helfen.
Er zeigte dem Temueng das gesamte Schiff, schäumte im geheimen vor Zorn, während der Mann in sämtlichen Ritzen und Spalten stocherte, sogar in den Unterkünften der Mannschaft schnüffelte, die Seesäcke öffnete, die lange Nase in Dinge steckte, die ihn nichts angingen. Zwar war sein Benehmen der Mannschaft zutiefst zuwider, aber sie war viel zu froh, endlich wieder aufs Meer zu gelangen, als daß sie sich
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