Brann 01 - Seelentrinkerin
dem aus rotbraunem Jaspis geschaffenen Standbild eines Meergottes mit Augen aus glänzendem Topas. Er übte eine Wirkung auf Brann aus, die sie nicht zu begreifen vermochte, hatte einen Einfluß auf ihren so plötzlich erhaltenen Erwachsenenkörper, den sie gar nicht zu verstehen wünschte; diese Beeinflussung erschreckte sie, stieß sie sogar ab, denn sie konnte, wie sehr sie sich auch bemühte, nicht vergessen, wie der temuengische Zensor auf ihr lag und grunzte, sich in sie bohrte; davon träumte sie immer wieder, die Kinder mußten sie des öfteren wecken, damit ihre Schreie nicht das jeweilige nächtliche Versteck verrieten. Sie beobachtete den Schiffsherrn, lechzte nach seinen Berührungen, ihre Brüste fühlten sich gespannt, wie wund an, zwischen den Schenkeln glomm ein köstliches Brennen. Sie zwang ihren Verstand dazu, den lästigen Leib nicht zu beachten, versuchte ihre Aufmerksamkeit vollständig den Papieren und dem zu widmen, was der Mann dazu sagen würde.
Sammang spürte Branns Unruhe, hob den Blick. »Wo sind die Kinder?«
»In der Nähe. Mach dir keine Gedanken. Wann können wir fort?«
Sammang schüttelte den Kopf. »Du bist 'n Unschuldsseelchen ... Gedulde dich noch 'n Augenblickchen.« Er schaute die Papiere noch einmal durch, hielt sie gegen das Licht, fragte sich im stillen, durch welche Art von
Magie sie an sie gelangt sein mochte. Sie wiesen keine Mängel auf, zumindest keine, die er feststellen konnte. Sobald er mit dem Begutachten fertig war, stieß er die Papiere auf, legte eine Handfläche auf den Stapel. »Wieviel Unruhe hast du bei den Temueng gestiftet, indem du dir diese Fetzen verschafftest?«
»Keine. Die Temueng, die sie unterschrieben und besiegelt haben, waren ... Na, man könnte sagen, sie schlafwandelten. Sie werden sich an nichts von allem erinnern, was vorgefallen ist.«
»Sehr hilfreicher Kniff. Hmmm.« Sammang tippte mit dem Zeigefinger auf den Stoß Unterlagen. »Ohne diese Genehmigungen gelangt man nirgends hin, gewiß, aber sie sind nur der Anfang, o Störerin meines Friedens und der Temueng Ruhe! Selbst mit genügend Gold, um ihren Argwohn zu beschwichtigen, müssen wir vorsichtig sein, uns an die richtigen Männer wenden, bevor die falschen Männer miteinander zu sprechen beginnen.«
»Wieviel Gold muß es sein?« Ohne eine Antwort abzuwarten, lehnte sich Brann zum Fenster hinaus, hob einen schweren Beutel herein, den sie vor Sammang auf den Tisch wuchtete. Ehe er ein Wort äußern konnte, kehrte sie ans Fenster zurück, schwang einen zweiten Beutel herein, stellte ihn neben den ersten, und im nächsten Augenblick hatte sie sich schon abgewandt, um einen dritten Beutel zu holen. Danach entfernte sie sich mit raschen ruhelosen Bewegungen aus Sammangs Umkreis, setzte sich aufs Bett; heute sah sie ihn, so hatte es den Anschein, sehr bewußt als Mann. Damit fand sie wiederum bei ihm Anklang, er musterte sie voller Interesse, fragte sich, wie es wohl sein mußte, mit einer Hexe ins Bett zu kriechen. Hastig schaute sie zur Seite. Ein schüchternes Wesen. Aber ein anderes Mal war auch ein Tag.
Sammang löste den Verschlußdraht vom ersten Beutel, zählte die Münzen ab, seine Brauen wölbten sich langsam aufwärts, während er die anderen Beutel ebenfalls öffnete, sich die Münzstapel mehrten, er zuletzt zehn Reihen von jeweils zehn Stapeln zu je zehn Münzen vor sich auf dem Tisch hatte, tausend Goldmünzen, genau tausend schwere Sechsecke, so weich, daß sie sich mit dem Daumennagel einritzen ließen. Auch ohne sie gewogen und näher geprüft zu haben, hegte er die Überzeugung, daß das Gold nicht mit billigerem Metall vermengt war, hier in Tavisteen, das voll war mit gerissenen Gaunern, mußte man auf so etwas achtgeben. Nachdem er mit dem Zählen fertig war, saß er still da, besah sich den sanften Goldglanz. Und ich wähnte, sann er, ich könnte sie abschrecken, indem ich für die Überfahrt einen beispiellos hohen Preis forderte. Er blickte auf. »So viele echte Goldmünzen dürften gewißlich vermißt werden.«
Brann schüttelte den Kopf. »Nicht so bald. Sie stammen aus der persönlichen Beute des Tekoras. Die Truhen hatten bereits Staub angesetzt und waren voller Spinnweben .«
Mit einem Auflachen und einem Kopfschütteln machte sich Sammang daran, die Münzen wieder in die Beutel zu füllen. »Möchtest du's dir nicht überlegen, ob du mich als deinen Kassenverwalter anstellst? Mir behagt der Gedanke, des Tekoras Männer mit seinem Gold zu bestechen.«
Weitere Kostenlose Bücher