Brann 02 - Blaue Magie
Tag wurde zusehends heller, war kühl und klar; hinter den Vorderseiten der Häuser, an denen sie vorbeistrebte, konnte sie ein langsames, träges Ringen gegen die von der Nacht verbliebene Müdigkeit erahnen, als rührten sich Schmetterlinge in ihren Puppenhüllen. Brann bog in die gewundene, von blütenreichen Hecken gesäumte Gasse ein, die hügelan zum Gasthof >Zur Perligen Morgenfrüh< führte, verlangsamte ihre Schritte noch mehr, weil sie Widerwillen dagegen empfand, in den Gasthof und zu Ahzurdan zurückzukehren; der bloße Gedanke daran lastete ihr wie ein Klumpen unterhalb der Rippen. Sie brach von einem Rankengehänge, das ihren Scheitel streifte und sie mit feinem Duft begrüßte, eine grüne Orchidee ab, steckte sie sich in ein freies Knopfloch, pflückte dann noch eine Blüte und flocht sie Yaril ins dünne, blonde Haar überm Ohr. Sie lächelte das verdutzte Mädchen voller Zuneigung an, tätschelte ihm die Schulter und schlurfte weiter des Wegs.
Ahzurdan begegnete Brann auf der Treppe und folgte ihr mürrisch und triefäugig in ihr Zimmer. »Sollte Zatikay bis heute abend nicht eingetroffen sein«, sagte Brann, als die Tür hinter ihm zufiel — bevor er zu reden anfangen konnte —, »werde ich uns eine andere Überfahrt zu dem Hafen in Cheonea verschaffen. Ja, ja, ich weiß, die Schiffsherren drunten im Hafen sind von ihren gewohnten Fahrtstrecken um keinen Preis abzuweichen bereit, aber nicht allzu tief innerhalb der Myk'tat Tukery gibt's Schiffsherren, die sich in solchen Angelegenheiten etwas zugänglicher zeigen.«
»Es ist wahrscheinlicher, daß diese fluchwürdigen Menschenfresser uns abschlachten und auffressen, als daß sie sich aufs offene Meer hinauswagen.«
»Mir und den Kindern werden sie nichts antun, es sei denn, sie hätten sich wesentlich verändert, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe. Und ich vermute, dir dürfte es nicht schwerfallen, ihnen zu verdeutlichen, daß du alles andere als ein Leckerbissen bist. Ich habe nicht gesagt, daß mich der Einfall begeistert. Aber die Zeit ...« Brann unterbrach sich mitten im Satz und schnitt eine Miene des Mißmuts. Mit einem Mal roch sie im Zimmer einen schwachen, sonderbaren Geruch, und man hörte ein dumpfes Knarren, das wie eine Türangel in der Tiefe eines Brunnens klang. »Was zum ...«
Auf einmal erschien ein unheimliches, häßliches Geschöpf, lang und dünn, braun und elfenbeinfarben, einem vom Blitz verwüsteten Baum vergleichbar, vor Brann, griff nach ihr. Durch den Geruch und das Geräusch gewarnt, duckte sich Brann, hechtete zur Seite, plumpste auf den Fußboden, wälzte sich herum und sprang auf die Füße. Das baumähnliche Wesen wirkte steif und unbeholfen, war es aber keineswegs, vielmehr erwies es sich als behend, beweglich und fürchterlich stark. Eine seiner Hände sauste, wobei sie spürbar Luftzug erzeugte, über Branns Kopf hinweg, doch war ihr Haar noch zu kurz, als daß das Ungetüm es hätte grabschen können, und zudem hatte sie sich zu flink geduckt. Während ihres Sprungs zur Seite packten rauhe, knorrige Finger halb ihr Bein, rutschten jedoch ab, als sie sich fortwälzte. Beim Aufspringen japste sie in plötzlicher Furcht, weil ein zweites Paar harter, holzartiger Arme sie umklammerte und zu drücken begann.
Yaril verwandelte sich in eine Feuerkugel und fuhr auf den Baum-Dämon los, wollte ihn verbrennen, aber das Wesen war nicht, was es zu sein schien, es wurde nur leicht versengt, und in der Kammer verbreitete sich ein greulicher Gestank. Es lockerte seinen Griff um Brann, hielt sie jedoch mit einem harten, einem Tau gleichen Arm fest, während es mit dem anderen Glied Yaril abwehrte.
Jaril kam durch die Wand geschossen und rammte den Baumartigen, verkohlte ihn, prallte so wuchtig gegen ihn, daß er zurücktaumelte.
Inmitten der von Gestank erfüllten Luft erschien ein zweiter Baumartiger. Und noch einer.
Brann warf die Hände gegen ihren Bedränger und begann, sein Leben aufzusaugen; sie schrie (ihre Stimme war heiser vor Pein), während es ätzend-feurig in ihr Inneres überströmte, in einen Körper, der nicht dazu bestimmt war, Dämonen-Lebenskraft aufzunehmen, aber sie ließ nicht ab.
Y aril flog zu ihr, saugte soviel von der Dämonenkraft auf, wie sie konnte, und wandelte sie in einen gegen die anderen drei Baumartigen gerichteten Strahl flüssigen Feuers um.
Jaril war ein dicker Wurm aus Glut geworden, wand sich um die stämmigen Stummelbeine der Baumartigen, brachte sie, während sie auf
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