Brann 03 - Das Sammeln der Steine
in den Straßen von Preßrotten, Zuhältern, Räubern und Schändern nichts zu befürchten brauchte, sie genoß einen kleinen Abklatsch der Berühmtheit ihrer Herrin, der beliebtesten Kurtisane der Stadt; andererseits wußte sie auch, daß man sie, falls sie erkrankte oder sich verletzte, so daß sie nicht mehr arbeiten konnte, aus dem Haus werfen würde wie Abfall. Oder wenn sie zu alt zum Arbeiten wurde, wenngleich das Zualtsein noch fern lag, mit achtzehn Jahren fühlte man sich wie unsterblich. Sie war mit ihrem Leben unzufrieden, das war offenkundig; aber sie hatte davor Angst, dessen bequeme, sichere Umstände aufzugeben, auch das war offenkundig. Als Gottessucherin und Heilerin besaß auch Brann einen gewissen Ruf, vermutlich konnte man sie als vertrauenswürdig ansehen, und Carup war beeinflußbar genug, um an das allgemeine Urteil, was Gottgefälligkeit sei und was nicht, zu glauben; allerdings war die Jantria eine Fremde. Sie stammte aus einem anderen Land, einem fremden Volk. Darin mußte man einen Anlaß zum Argwohn sehen, es weckte Furcht. Außerdem war Brann arm, und Carup erübrigte für Arme eine bei Sklaven häufig anzutreffende, eingefleischte Verachtung. Brann war ihr mit Freundlichkeit und Güte begegnet, hatte sich zwischen sie und den tollwütigen Hund gestellt und ihn vertrieben, für Abergläubische ein vielsagendes Omen, und wie die Mehrheit aller Sklaven war Carup zutiefst abergläubisch. Brann bot ihr die Freilassung und damit ein bestimmtes Maß an Macht über das eigene Leben. Das war an sich ein großartiges Angebot, dessen ganze Tragweite, sobald man sich wirklich entscheiden mußte, gewaltig erschreckte.
»Sarimbaras Segen, Jantria Bar Ana«, sagte Carup endlich mit einer Würde, deren Mühseligkeit Brann plötzlich wegen der Weise beschämte, wie sie das Mädchen für ihre Absichten benutzte, »ich werde dir dienen.«
»Dann sei's so, Kind. Geh nun mit deiner Begleiterin. Warte und vertraue auf mich. Wenn es soweit ist, werde ich dich holen lassen.«
7 Zwei Tage später.
Der Hausverwalter zupfte an den langen Hälften seines prächtigen Schnurrbarts, die von der Oberlippe des dünnen Munds übers Kinn bis auf den Kragen hinabreichten. Verdrossen musterte er den Basith, einen Mittelsmann, den Brann eingeschaltet hatte, um Carups Kauf abzuwickeln, weil sie das Doulahar nicht selbst aufsuchen wollte. »Warum sie?« Mit dem Daumen wies der Hausverwalter auf Carup, die zu seinen Füßen kniete, sah sie nicht an. Ihr Anblick störte ihn, und das hatte er sie an jedem Tag ihres Lebens spüren lassen, seit sie zum erstenmal durch die Bedienstetenpforte das Haus betreten hatte.
Der Basith verkörperte das mustergültige Bild eines Jana-Mischlings. Er hatte schwarzes Haar, so rauh wie die Baka-Wolle, die von den Nomadenstämmen zu Zeltbahnen gewoben wurde, trug sie als krause Locken rings um eine in Ausdehnung befindliche kahle Stelle mitten auf dem Schädel; an der Spitze des länglichen Kinns saß ein nußähnliches Bärtchen; im linken Ohr stak ein Ohrgehänge, wie man es bei phrasischen Kaufleuten sah, im rechten Ohr hatte er einen gallinasischen Ohrknopf, eines der besonders gefragten, weil mit Rubin verzierten Schmuckstücke dieser Art. Seine Augen waren von dunklem Bernsteinbraun sowie lang und schmal, saßen leicht schräg über den hervorstehenden Wangenknochen, die klugen Augen eines klugen Mannes. Er war der Sohn einer Kurtisane und eines ungewöhnlich eigenwilligen Dhanik, der den Knaben trotz des Gezeters seiner rechtmäßigen Gattinnen in sein Sar aufgenommen und dafür gesorgt hatte, daß ihm eine Ausbildung zum Rechtsgelehrten angedieh. Vor einer Woche hatte die Ehefrau des Basith sich zaghaft ins Kuna Coru gewagt, um wegen eines Geschwürs am Bein die Heilerin zu besuchen; sie kam vom Geschwür geheilt, befreit von den Wucherungen, die es verursacht hatten, nach Hause, und wußte Branns Beistand dementsprechend hoch zu schätzen. Und infolgedessen weilte der Basith nun in diesem Doulahar. Er verbarg seine Abneigung gegen den Mann, vor dem er stand, seinen Widerwillen vor dem Mädchen, das zu Füßen des Hausverwalters kauerte, richtete seine Aufmerksamkeit gänzlich auf den erhaltenen Auftrag. »Die Gottessucherin erfüllt damit den Wunsch ihrer Gottheit. Dies ist die Sklavin, die sie haben will. Dies ist die Sklavin, die sie bekommen wird. Ich ersuche dich darum, Callam, einen Preis zu nennen. Dann werden wir sehen.«
Eine halbe Stunde danach zahlte der Basith einen
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