Brann 03 - Das Sammeln der Steine
fortzukrauchen, aber zu langsam. Brann saugte ihm die Lebenskraft restlos aus, bis von ihm nichts mehr als Staub auf der Matte lag.
Vor der Tür zu den Gemächern der Chuttar stieß Jaril zu Brann. Seine Erscheinung glomm, er grinste, wirkte fremdartig und wild, fremder als sie ihn je gesehen hatte. Er nickte ihr zu, bildete aus seinen Händen Trichter und verschoß Feuer auf das Schloß, zerschmolz es und brannte ein großes Loch in die Tür.
Brann trat die Tür nach innen und stürmte hinein, lief auf die Frau zu, die in der Nähe einer Reihe von Fenstern saß, die Hände auf einem schwarzen Samtkissen gefaltet, das auf ihrem Schoß lag. Die Chuttar Palami Kumindri lächelte regelrecht sorglos. Der zweite Smiglar in dem Zimmer, ein hünenhafter Mann, dem die Enden des schwarzen Schnurrbarts übers Kinn herabhingen, stand neben ihr: Cammam Callam, der Hausverwalter. Er glättete sich den Schnauzbart, stellte sich vor den Stuhl der Chuttar und streckte die Arme aus, kehrte die Handteller nach außen. Brann prallte gegen ein unsichtbares Hindernis von so nachgiebiger Beschaffenheit wie Schwamm, gleichzeitig war es jedoch so widerstandsfähig wie eingeölte Seide. Jaril wechselte das Äußere, sauste als flammende Lichtkugel gegen das Hemmnis, wurde gleichfalls zurückgeworfen, versuchte es noch einmal und nochmals; mit jedem Mal, das er gegen das Hindernis prallte, drückte er es tiefer ein. Brann preßte die Hände gegen es, unternahm einen Versuch, es durch Absaugen zu zersetzen; zu ihrer gelinden Überraschung vermochte sie mühelos die Kräfte anzuzapfen, die es aufrechterhielten. Sie lachte, verstärkte ihre Bemühungen. Noch nie war es ihr gelungen, einem magischen Schild Kraft zu entziehen; anscheinend war dieser Magie-Schild so sehr ein Teil des Smiglars, beruhte in solchem Maß auf Anwendung seiner inneren Kraftfülle, daß sie dagegen vorgehen konnte, als bestünde das magische Gebilde aus Fleisch und Blut. Callam torkelte, erbleichte. Er schrumpfte, seine Erscheinung verdichtete sich, er bot erhöhte Kräfte auf, beulte gewissermaßen die Dellen in seinem MagieSchild aus.
Für ein Weilchen schaute die Chuttar Palami Kumindri gelassen zu, dann entfaltete sie den schwarzen Samt. Es handelte sich um kein Kissen. In dem Samt befand sich der milchige trübe Mondstein, zu dem Yaril sich zusammengeballt hatte, er nahm sofort aus der Umgebung Licht auf. Palami Kumindri hob eine vornehme weiße Hand, hielt sie ein, zwei Zoll über den Yaril-Stein. »Haltet ein«, sagte sie. Sie hatte eine wohlklingende dunkle Stimme, die vom vollständigen Bewußtsein ihrer Macht zeugte. »Laßt ab, oder ihr dürft zuschauen, wie ich sie verschlinge.«
Jaril sank auf den Fußboden. Er verwandelte sich in seine menschliche Gestalt, der man Furcht und Wut ansah, sein Blick ruhte auf dem Yaril-Stein.
Brann senkte die Hände. »Wenn die Natter an deiner Seite mich angreift, werde ich mich verteidigen«, erklärte sie. »Ich gedenke nicht stillzuhalten und mich töten zu lassen, nicht einmal für sie.«
»Ich verfolge keineswegs die Absicht, dich umzubringen, Seelentrinkerin. Vielmehr wirst du dich als für mich überaus nützlich erweisen.«
»Nicht wenn ich's vermeiden kann.«
»Das ist die Frage, nicht wahr?« Palami Kumindri hielt die Hände an die Seiten des glänzenden Yaril-Steins, noch immer, ohne ihn zu berühren. »Es gibt etwas, das ich haben will. Ich biete dir die Möglichkeit, es mir zu verschaffen und damit deine Freundin auszulösen.« Sie spreizte die Hände und legte sie auf die Armlehnen des Stuhls. »Ich werde dafür sorgen, daß sie Sonnenlicht bekommt, so daß sie in ihrem gegenwärtigen Zustand möglichst wohlbehalten bleibt. Ich habe nicht vor, ihr etwas anzutun, aber ich kann nicht verhindern, daß sie sich selber Schaden zufügt. Wie ich dir ansehe, verstehst du, wovon ich rede.«
»Was willst du?«
»In der heiligen Stadt Havi Kudush befindet sich im Amortis-Tempel einer der Großen Talismane: Churrikyoo. Ein kleiner gläserner Frosch, recht angeschlagen und
abgesplittert, voller haarfeiner Risse. Bring ihn mir, und du kannst deine Freundin mitnehmen.«
»Da gibt's eine Schwierigkeit. Amortis. Sie mag mich nicht, und sie kennt mich viel zu gut. Sobald ich mich in ihrem Umkreis zeige, wird sie mich bei lebendigem Leib auffressen.«
»Du bist eine kluge Frau, Seelentrinkerin, du wirst einen Weg finden, um meinen Wunsch zu erfüllen.«
»Es gibt noch mehr Talismane. Wünsch dir 'n anderen.«
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