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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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herumzuschleppen, sich mit überflüssigem Zeug zu belasten. Handle schnell, handle entschieden, ermahnte sie sich. Auf den Nachdruck des Vorgehens kommt es an.
    An der Wand gegenüber sah Brann einen Klecks Grau, der schwache Lichtschein eines Nachtlämpchens sickerte durch ein dichtgeflochtenes Türgehänge. Vorsichtig schlich sie durch die Räumlichkeit, verharrte vor dem Gehänge, tastete es sachte mit den Fingerspitzen ab. Es war ein Perlenvorhang, auch in den Quasten hatte er Perlen, er war ein leichtes Hindernis, nur sehr schwierig durchquerbar, ohne soviel Geklapper hervorzurufen, daß man es trotz des Unwetters hören konnte.
    Lautlos fluchte Brann, klaubte Perlenschnüre in beide Hände, schob sie so weit beiseite, daß sie hindurchzuschlüpfen vermochte. Sie hielt die Perlen der Quasten fest, während sie die Perlenschnüre behutsam wieder baumeln ließ, bis es möglich war, die Hände fortzunehmen, ohne daß Klappern entstand.
    Sie lauschte. Das Wüten des Unwetters war lediglich als gedämpftes Brausen im Hintergrund vernehmbar; außerdem hörte man die üblichen nächtlichen Geräusche eines großen, alten Gebäudes. Sonst ließ sich nichts vernehmen. Brann wagte sich von der Tür in ein Gewirr miteinander verbundener Räume; wie willkürlich verteilt glommen da und dort Nachtlämpchen, brennende Dochte schwammen im mit Duftstoffen angereicherten Öl gläserner, wie halb geschlossene Tulpenkelche geformter Schalen. Zunächst fand sich Brann nicht zurecht; verdrossen zögerte sie nochmals. Jay, du hast es bedeutend leichter, Liebchen. Tschaaa ... Hätte ich Flügel, könnte ich mir all diese Umstände ersparen.
    Endlich gelangte sie in einen riesigen Innenhof mit drei Stockwerken an allen Seiten, an denen sich eine Wendeltreppe anmutig in die Höhe wand wie eine Kletterranke, Stufen und Geländer bestanden aus weiß gestrichenem Schmiedeeisen; an den Außenkanten etlicher Stufen leuchteten weitere Tulpenkelch-Lämplein, schimmerten lieblich in der weiten, offenen Dunkelheit des Hofs. Noch einmal lauschte Brann. Nichts Besonderes war zu hören. Nun gut, dachte sie. Machen wir ernst. Sie geisterte übers Schwarzweiß der Fliesen und begann schließlich die Treppe hinaufzusteigen.
    Anfangs traute sie sich nur langsam aufwärts, doch als sie den ersten Treppenabsatz betrat, lief sie beinahe, ihre Füße verursachten auf den Eisengeflechten der Stufen keinen Ton. Aufwärts und rundum, aufwärts und rundum, erstes Stockwerk, zweites Stockwerk. Brann verhielt, spähte ins Düstere; sie konnte nichts sehen, doch erachtete sie es als wenig empfehlenswert, Wagnisse einzugehen, die sie sich nicht erlauben durfte. Sie schwang sich übers Geländer, hing einen Augenblick lang mit den Armen daran, bis es ihr gelang, die Füße auf die Außenkanten der Stufen zu setzen; indem sie Hand über Hand griff, sich mit den Füßen achtsam weitertastete, bewegte sie sich an der Außenseite des Geländers nach oben, mißachtete den Abgrund unter der Treppe.
    Der Wächter war unruhig; Brann hörte ihn mit den Füßen in der im Gang ausgelegten Matte stochern. Sie hielt am Geländer inne, lugte durch dessen schmiedeeiserne Ornamente. Die Treppe schien in eine dunkle Kaverne zu münden, die durch den Schimmer einer der kleinen Nachtlampen um so finsterer wirkte. Brann konnte den Wächter nicht sehen, ihn in der Dunkelheit nicht einmal als Schemen ausmachen, aber nach dem geurteilt, was sie hörte, mußte er ein paar Schritte weit im Gang stehen. Hand über Hand kletterte sie weiter aufwärts.
    Als sie die Höhe des obersten Treppenabsatzes erreicht hatte, verschnaufte sie kurz, rief geistig eindringlich nach Jaril, dann stellte sie sich ganz und gar auf Angriff ein, stieß sich ab, bot die Muskelkraft ihrer Beine auf, um die im Verhältnis dazu geringere Kraft ihrer Schultern und Arme auszugleichen, sprang übers Geländer, rannte in den Gang, kaum daß sie mit den Füßen den Boden berührt hatte. Sie stürzte sich auf den Wächter, ehe er auch nur die geringste Möglichkeit zur Gegenwehr fand, ihre Hände packten ihn, sie begann ihm das Leben auszusaugen.
    Zuerst erschlaffte er, dann zerfiel er langsam; Brann hatte das Gefühl, einen Sack voller Skorpione mit giftigen Stachelschwänzen zwischen den Händen zu haben. Sie beschleunigte das Aussaugen, bis sie nicht schneller konnte. Der Zerfall des Wächters lief ebenfalls schneller ab, seine Gestalt zerbröckelte, Teile des Körpers versuchten sich zu verselbständigen und

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