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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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ihre Krallen schabten winzige Furchen ins Holz. Korimenei seufzte. Sie legte ihre Hände auf Karoumangs Fäuste, hielt sie still. »Geh ins Bett, Karou. Du lenkst mich ab.«
    »Wovon?« Seine Stimme klang schärfer als sonst; er war es nicht gewöhnt, abgewiesen zu werden. Er befreite seine Hände, legte eine davon Kori unters Kinn und hob es an, um ihr ins Gesicht sehen zu können. »Was treibst du?«
    Sie packte sein Handgelenk, zog die Hand weg. »Das mißfällt mir, Karoumang. So möchte ich nicht behandelt werden.«
    Er stellte sich ans andere Ende des Tischs, betrachtete sie. »Und ich mag nicht wie ein unartiger Bub fortgeschickt werden. Was machst du da?« Der Schiffsherr, der über alles Bescheid wissen wollte, was an Bord geschah, sprach aus ihm; er sah in Kori nicht länger die Geliebte, sondern eine ungünstige Mischung aus Fahrgast und Mannschaftsmitglied.
    Korimenei lenkte ein. »Pastipasti, Saö Schiffsherr. Denk an mein Gewerbe.« Sie legte die Handflächen beiderseits der Schale ausgestreckt auf den Tisch. »Ich habe eine Warnung erhalten. Ich muß nachschauen, was sie zu bedeuten hat. Also, möchtest du dich nun aufs Bett setzen und mich's erledigen lassen?«
    Er zog eine finstere Miene, ballte eine Hand zur Faust, rieb sie rundum mit der anderen Hand, immer wieder und wieder. Kori merkte ihm an, daß er, seit er sie mit ins Bett nahm, vergessen hatte, was sie war; er stellte sich Frauen nie anders denn als Hüterinnen der Familie vor, anderen Vorstellungen war er keineswegs abgeneigt, sie blieben für ihn lediglich unwirklich. »Tu's vor meinen Augen«, verlangte er. »Ich will's sehen.«
    »Dann schieb dir das Sitzkissen ran und setz dich hin, es stört mich dabei, wenn du stehst.«
    Kori wartete, bis er Platz genommen hatte, dann beugte sie sich über die Schale und begann sich in einen Zustand geballter Aufmerksamkeit zu bringen. Sie schloß Karoumang, Ailiki, das Boot, sämtliche Geräusche, alles ringsherum von ihrer Wahrnehmung aus, richtete ihre ganze Beachtung ausschließlich auf die eigene Atmung und das schwache Glitzern des Wassers. Sie stimmte einen gedämpften Singsang an, verwendete Worte ihrer Heimatsprache, uralte Worte, die sie aus den Liedchen gelernt hatte, die ihr, als sie noch ein kleines Kind war, die Kindertante vorzusingen pflegte. »Yso-yso-ypo-poh«, sang sie vor sich hin. »Ai-gley-idou-pan-tou-toh. Pro-ten-ou-kin-tor-or-thoh-nun. Yda-ydou-ydoh.«
    Sie pustete aufs Wasser, so daß ein Gekräusel entstand, das vom Innenrand der Schale zurückschwappte, es lief hin und her, ließ endlich nach, bis das Wasser wieder glatt wie Glas im Gefäß stand. Ein Bild erschien, zeigte ein enges Tal, dicht mit Wald bewachsen, überschattet von Berggipfeln, die es überragten. Innerhalb einer verwitterten Palisade stand eine Anzahl Häuser. Neben dem Fluß erhob sich ein zweigeschossiges Gebäude mit einem viergeschossigen, befestigten Turm; das zweite Geschoß übertraf das Untergeschoß an Umfang. Außerdem ließ sich ein Schleusentor aus dicken schweren Balken erkennen, die Flaschenzüge, mit denen man es bewegen konnte, waren mit eisernen Bolzen an wuchtigen steinernen Molen befestigt.
    »Das Wehr zu Kol Sutong«, raunte Karoumang.
    Das Bild verschwamm, verschwand beinahe völlig. Kori zischte Karoumang durch die Zähne an, und er schwieg. Mit einiger Mühe errang sie ihre innerliche Ausgerichtetheit zurück, das Bild wurde wieder deutlicher.
    Der Ausblick hatte sich inzwischen verändert. Nun schaute Kori ins Innere des Schleusenhauses. Darin lagen verstreut Gestalten, manche mit ausgebreiteten Gliedmaßen, wie weggeworfene Lumpenpuppen, andere gefesselt und geknebelt. Alle tot. Kleinwüchsige, dunkelhäutige Männer, gekleidet in Leder und abgerissenes Tuch, alle schwer bewaffnet, saßen an einem Tisch und beschäftigten sich mit einem Stein-und-Knochen-Spiel, hatten zu diesem Zweck das Spielfeld in die Tischplatte geritzt. Nochmals wechselte das Bild, zeigte den Aussichtsraum des Wachturms. Ein Räuber stand am Südfenster und hatte den Fluß unter Beobachtung. Eben ging die Sonne auf, ihr Schein färbte das Wasser rot; der Nebel, der unter den Bäumen hing, wurde vom Morgenlicht rosarot. Ein Flußboot näherte sich, die Miyachungay.
    Karoumang stieß ein Knurren aus, stand auf. »Bleib sitzen!« Korimenei schubste ihn zurück, ließ den Blick auf das Bild gerichtet, als es wieder verschwamm und zu zerfließen drohte, verhinderte mit aller Willenskraft ein Verschwinden.
    Das

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