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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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zu, reichten sie nicht anders als das Tjank herum.
    Korimenei dachte über die Beobachtungen nach.
    Die Bande umfaßte fünfundfünfzig Mann, dreiundfünfzig Räuber, einen Anführer und einen Totenpriester. Kori durchdachte die Zahlen; sie erlaubten Schlußfolgerungen. Ursprünglich mußte die Bande aus fünf Gruppen zu je zwölf Mann bestanden haben. Anscheinend hatten die Dörfler mindestens sieben von ihnen totgeschlagen. Kori freute sich darüber.
    Der Mondstein zwischen ihren Händen bewegte sich; sie preßte ihn in ihren Nabel, und er drang in ihren Leib ein.
    »Jede Tat hat Folgen.« Ihre Stimme klang so leise wie das Wispern des Winds im Nadellaub der Zedern; sie sprach mit einer Förmlichkeit, die an einen feierlichen Sprechgesang grenzte, griff auf Erinnerungen an den Unterricht zurück, um sich das Selbstvertrauen einzuflößen, dessen sie bedurfte. Sie war jung, hatte sich noch nicht bewährt; sie nahm alles ernst und war dabei ein wenig kleinlich. An sich zu zweifeln, durfte sie sich nicht leisten, sobald sie die Suche nach der richtigen Wirklichkeit begann, wenn sie lebend und wohlbehalten zurückkehren wollte. »Auch jede Weigerung, etwas zu tun, hat Folgen.« Der Klang der eigenen Stimme tröstete sie, gab ihr Halt, verschaffte ihr innere Festigkeit; zehn Jahre des Lernens fanden darin ihren zusammengefaßten Ausdruck. »Beides muß erwogen werden. Es gilt über den Augenblick hinauszudenken. Töte ich sie alle, werden ihre Verwandten, um sie zu rächen, weitere Menschen ermorden? Die Bewohner Kol Sutongs sind tot, ihnen kann nichts mehr zustoßen. Doch wie steht's um andere Dörfer? Um Karoumang und seine Besatzung? Und es gibt noch mehr Flußschiffe. Würde sich für sie die Bedrohung erhöhen?« Kori lächelte, als sie zwischen den Bäumen Glühwürmchen flirren sah, einen frühen Vogel zwitschern hörte, das Leben schuf ein Gleichgewicht gegen den Tod, ein kleines, aber schönes Gegengewicht wider großes Grauen. »Nein. Räuber sind Räuber, ihr Lebenszweck ist das Rauben. Sie töten fast ausschließlich um der Beute willen, selten aus Rache. Für alle, die am Fluß und auf dem Fluß leben, wird ihr Tod weniger zum Nachteil als von Nutzen sein.« Dennoch empfand Korimenei etwas Trauer; das meinte sie sich schuldig zu sein. Sie waren rohe, herzlose Mörder, aber trotzdem Menschen. »Fünfundfünfzig Tote, weil ich's so will. Ich kenne sie nicht. Ich weiß nichts von ihrem Leben. Ich habe keine Ahnung, warum sie tun, was sie treiben. Ich werde zuschlagen, und ihr Leben wird enden. Was bin ich? Maksim opferte BinYAHtii fünfzig Jahre lang jeden Monat ein Kind, weil er das als geringes Übel bewertete im Vergleich zu dem Guten, das er tat. Werde ich den gleichen Weg gehen? Ich weiß es nicht.« Sie trauerte auch um ihrer selbst willen, um den Verlust ihrer Unschuld; diese Art, sie zu verlieren, ging mit weit mehr Blut und Schmerz einher als der Verlust der weiblichen Unschuld und geschah ohne jedes ausgleichsweise Vergnügen. »Tu was du tun mußt«, sang sie verhalten, »aber tu's ohne Stolz und ohne Zorn, weil du weißt, sie sind schlichte, dumme Männer, gegen dich wehrlos.«
    Seelisch gesammelt in der eigenen inneren Mitte und bereit, verfiel sie in neues Schweigen, ließ sich von den Geräuschen und Lauten des im Erwachen begriffenen Walds durchrieseln. Die Hände auf den Oberschenkeln, saß sie da, ohne zu denken, ohne zu warten, für alles offen, was kommen mochte.

 



Schließlich schwebte sie zwischen den Wirklichkeiten, genau wie am dritten Tag ihrer Prüfung. Zunächst trieb sie richtungslos umher, dann spürte sie eine Anziehung. Von da an sauste sie beschleunigt durch die verschiedenerlei Ebenen der Wirklichkeiten, die unendlich vielen unzählbaren Schichten des Anderswo, immer schneller, bis sie in eine davon stürzte, ein Universum aus Hitze und Licht, in dem Salamander in Meeren von Sonnenglut schwammen.
    Sie ließ sich treiben, die Sonnenwinde wehten sie dahin und dorthin. Salamander schwammen zu ihr, umwimmelten sie.
    Korimenei besah sie sich genauer. Ihre schlüpfrigen Gestalten pulsten und veränderten fortwährend die Umrisse, zusätzliche Gliedmaßen wuchsen ihnen, schrumpften bald zurück, ihre Leiber gewannen mal an Dichte, schienen sich mal zu verflüchtigen, abwechselnd verkürzten sie sich oder wurden länger; sie hatten in ihrer Unangreifbarkeit eine gewisse Ähnlichkeit mit den Bergstinktieren, mit denen Kori als Kind gespielt hatte. Sie fing in einem Gedankennetz, so

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