Brann 03 - Das Sammeln der Steine
bis sie von neuem in Steppenland gelangte; von da an trennten nur noch zwanzig Tagesreisen sie von Dil Jorpashil.
12 Korimenei betrachtete die Knollensuppe. Die großzügige Verwendung von Gewürzen durch den Koch konnte nicht den ekligen süßlichen Geruch überdecken, der von den unkenntlichen Fetzchen Fleisch aufstieg, die in der Suppe schwammen. Das kann ich nicht essen, dachte Kori. So was kann ich unmöglich essen.
Sie trank den miesen, trüben Tee leer und aß das Brot auf, erhob sich ruhig von ihrem Platz und ging hinaus. Sie lehnte sich ans aus Tauen geflochtene Geländer der Terrasse, atmete tief die klare, kalte Luft ein, die nach Gras roch, dachte an das verhärmte kleine Mädchen, das ihre Sachen in den mit einer Anzahl Strohmatten und schäbigen, zerfledderten Trennvorhängen eingerichteten Schlafsaal getragen hatte. Erst zehn Jahre alt, führte es die Raststätte allein, als hätte es nie etwas anderes getan; wahrscheinlich hockte der Vater in dem hinterm Gebäude angebauten, geheimen Ausschank und spielte für die örtlichen Säufer den Gastgeber, er war, wenn Kori nicht alles täuschte, selbst ein Trunkenbold. Dem Duft zufolge, der zur Terrasse heraufzog, braute er eigenen Sookpa. Das Gesöff mußte weit gräßlicher als verdorbenes Fleisch schmecken. Ich muß wegen des Essens etwas unternehmen, überlegte Kori. Sie lächelte in die Abenddämmerung und tätschelte sich den Bauch. Wohlgenährte Kühe kriegen gesunde Kälber. Es wird besser sein, ich sorge dafür, daß du gut ernährt wirst, alte Kuh.
Sie machte sich auf die Suche nach dem Mädchen und traf es in der Küche beim Abwasch an. »Wo ist dein Vater, Kind?«
Der Blick des Mädchens ruckte hinüber zur Hintertür, und ebenso ruckartig wandte es ihn wieder ab. Es zuckte mit den Schultern und gab keine Antwort. Gebeugt stand es über dem Kübel, der zum Abspülen diente, stützte die Hände still in die fettige Brühe und sagte mit dem ganzen Körper: Hau ab und laß mich in Ruhe.
»Aha. Und deine Mutter?«
»Sie's tot.«
»Erledigst du auch das Kochen?«
»Du hast dein Supp nich gegessen. Wir zahln für was, was nich gegessen wird, nix zurück.«
»Nicht mal 'n ausgehungerter Sanga würde sie fressen. Aber's liegt nicht an deinen Kochkünsten, Kind. Es ist das Fleisch. Ich vermute, ihr schlachtet nicht selber?« Das Mädchen schüttelte den Kopf, begann an einer Kruste in einer Brotform zu kratzen. »Dein Vater geht nicht auf Jagd?«
»Es kommt kein Wild nah ran. Die Straß hält's fern.« Die Stimme des Mädchens bezeugte gleichfalls Abweisung, es sprach in mürrischem Ton; erneut schaute es die Hintertür an und sofort wieder weg.
»Hmm. Brächte ich dir Fleisch, tätest du's dann für mich zubereiten? Zur Gegenleistung lasse ich euch, was übrigbleibt.«
»Was für'n Fleisch?«
»Geyker.«
»Ach so. Wann?«
»Bald. In einer Stunde, 's dürfte kaum länger dauern.«
»Ich will's Fell sehn.« Das Mädchen zog die Schultern hoch, ihm zitterten die Hände; es vermied es, Korimenei anzuschauen. Es fürchtete sich, legte jedoch Entschlossenheit an den Tag.
Korimenei lachte. »Ja klar. Du bist 'ne tüchtige sonya. Ich werde dir nichts Verbotenes unterschieben. Du sollst Fell und Hufe sehen, alles. Verrate mir eines: Nähme man in den Raststätten, die noch an der Straße liegen, auch Fleisch statt Geld?«
»Weeß ich nich genau. Ich glaub ja. Vater hätt's genommen, hättst ihn gefragt.«
»Vielen Dank, sonya. Bis später.« Korimenei verließ die Küche, verharrte mitten im Gemeinschaftsraum, dachte darüber nach, wo sich die geeignete Örtlichkeit für ihre Absicht befinden könnte. Der leere Schlafsaal bot sich an, aber weder gefiel es ihr dort, noch mochte sie den Geruch. Der Stall? Nein. Der Stallknecht hauste darin wie eine Ratte im Gemäuer, nicht einmal die Soopka-Saufereien im Ausschank lockten ihn heraus. Doch auf keinen Fall wollte Kori, daß ihr irgendwer über die Schulter schaute, wenn sie einen Dämon rief, der sich für sie zur Fleischbeschaffung aufmachte. Sie unterdrückte die Furcht, die der Gedanke, jemandes Aufmerksamkeit auszulösen, vielleicht sogar einen ansässigen Zauberer zur Herausforderung zu einem Duell zu verleiten, stets bei ihr weckte. Sie mußte etwas tun, sie hatte keine Wahl. Sie ging zur Haustür; noch war sie unverriegelt, die Sonne war eben erst gesunken, von dem bläßlichen Sonnenuntergang verweilten noch ein paar rosige Streifen am westlichen Horizont. Im Osten erhob sich der Wunde
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