Brann 03 - Das Sammeln der Steine
über die Wetterverhältnisse, verweilte ein wenig zum Plaudern, meistens über die Erlebnisse Korimeneis, anders sei es nicht möglich, beteuerte er, er säße ja in der Höhle fest und wäre zudem in einen Kristallblock eingeschlossen, da er folglich nichts Neues erlebte, könnte er höchstens immer wieder von alten Zeiten erzählen, und dazu hätte er keine Lust. Korimeneis Gemütsverfassung lockerte sich etwas; sie wollte ganz einfach glauben, daß das frühere Maß an Vertrautheit noch zwischen ihnen bestand, es sich erneuern ließ, sobald sie ihn befreit hatte.
Im Laufe der dritten Woche blieben die letzten spärlichen Büschel Temugras hinter ihr zurück, und sie gelangte in die Vorhügel der Dhia Dautas. Die gewellte Landschaft wies einen niedrigen, graubraunen, wuscheligen Bewuchs schlaffer Gewächse auf, in denen Kori keinerlei Nutzen vermutete; dennoch fraßen die Pferdchen, als sie grasen durften, davon mit Genuß. Die Dornensträucher hatten kleine Blätter, die eine Reihe schwerer Fröste zu starren, runden, ledrigen, kastanienbraunen Klümpchen verschrumpelt hatte, und kupferrote, krumme Zweige, die sich beim Wuchern ineinander verflochten, so daß sie eine dichte stachlige Kugel bildeten, die ihre Gestalt nie mehr änderte, nur noch mit der Zeit an Umfang zunahm. Diese Sträucher wuchsen zwischen und rund um Anhäufungen von Findlingen, die dalagen wie Dung eines riesenhaften Viehs, das wahllos in die Gegend kotete.
In der vierten Woche befand sich Korimenei auf den unteren Abhängen der Berge auf dem Weg zum ersten Tiefpaß, strebte durch üppige Wälder mit völlig andersartigem Unterholz, vornehmlich mit breiten Blättern in Karminrot und Goldbraun versehenen Ranken, die sich auf einer roten Erde ausbreiteten, von der feiner Staub aufwirbelte und sich auf jeder Fläche ablagerte, in jede Ritze rieselte. Die Steigungen führten steiler empor, die Luft war dünner und kälter. Wenn Kori kurz unter der Höhe einer Erhebung erschöpft war und durch den Mund atmete, schnitt sie ihr in die Kehle wie mit Messern. Sie sah Rudel von Rotwild und Narruherden, Wölfe in auseinandergezogenen Ketten durchs Gelände schnüren, Sangas und Gebirgskatzen sich auf Felsblökcken oder in Baumwipfeln sonnen, Eichhörnchen und Kaninchen sowie andere kleinere Nagetiere, sah Vögel über den Erdboden hüpfen, Samen und Insekten verschlingen. In der Luft lag eine Stimmung des Wartens, ein Gefühl des Nahens einer neuen Jahreszeit, die kurz bevorstand, aber noch nicht da war, noch nicht ganz. An den meisten Morgen konnte man am Himmel lediglich ein paar verstreute Wolkenfetzen erkennen; doch mit jedem Tag, der verging, bewölkte er sich stärker und düsterer, die Helligkeit bekam einen Stich ins Zinngraue, die Farben insgesamt wurden kräftiger, dunkler. Hingegen sah Kori keine Menschen, keinen einzigen, die Straße blieb frei und leer, jedoch spürte sie mehrmals, wie Augen sie beobachteten. Sie beachtete es nicht. Sollte man sie ruhig beobachten.
Am Ende der Woche geriet sie in Regen und überfrorenen Schneematsch.
11 Als Korimenei aus den Decken kroch, war der Himmel klar und kalt wie das Wasser im nahen Bergbach, die Welt glitzerte von Eis und Frostblumen. Ihre Haut kribbelte, sie fühlte sich überaus lebendig; als sie den Weg auf der Straße fortzusetzen begann, war ihr zumute, als trüge sie Siebenmeilenstiefel und könnte so flugs über die Berge steigen wie ein Riese.
Ein Flecken vereisten Untergrunds erinnerte sie daran, sie war nur eine Sterbliche. Sie rutschte darauf aus und prallte so wuchtig auf Hände und Knie, daß ihre Backenzähne aufeinanderschlugen. Mühsam raffte sie sich hoch, besah sich ihre Hände; die Handflächen waren wundgeschrammt, in die Kratzer hatte sie sich Dreck geschmiert. Mit langsamen steifen Bewegungen wischte sie sich sie am Überrock ab; sobald sie sie einigermaßen gesäubert hatte, klaubte sie die Handschuhe aus der Tasche und zog sie an. Sie schnitt eine Fratze in Ailikis Richtung, die wieder Sessa mimte, breit und untätig auf Koris Sattel hockte, ihr zuschmunzelte. »Wag's nur, zu lachen, und ich setze Liki-Gulasch auf den Speisenplan.«
Auf der anderen Seite des Höhenrückens erstreckte sich ein langes, enges Tal, in dem aus heißen Quellen Dampf aufwaberte, zwischen unheimlich finsteren Nadelbäumen dahinwallte, an den weißblauen, nahezu wolkenlosen Himmel hinaufstieg, droben zerfaserte und sich verflüchtigte. Etwa eine halbe Meile abseits der Straße erspähte
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