Brann 03 - Das Sammeln der Steine
Kori ein dichtgedrängt angelegtes Dorf; weder Menschen noch Vieh waren in Sicht; man hatte die Ernte bereits eingebracht, die Felder bestanden nur noch aus Schlick und Stoppeln. Ein Geist schwebte über den Morast heran,- umkreiste Kori, flüchtete dann, ohne ein Wort zu äußern. Sie spürte erneut, daß Augen sie feindselig musterten, und hatte stark das Empfinden, daß es sich nicht empfahl, längere Zeit in dieser Nachbarschaft zu verweilen.
Eine halbe Stunde später erreichte sie eine kleine, karge Alm; dort machte sie Rast, fütterte die Pferdchen mit dem Rest des gepreßten Trockenfutters und ließ sie grasen.
Als Ailiki sie zurückbrachte, waren sie bis zum Bauch mit Matsch bedeckt. Korimenei fluchte, suchte eine rauhe Bürste heraus und bürstete ihnen Beine und Füße ab, reinigte sie vom Schlamm, befreite sie von winzigen, runden Blutsaugern, die sie sich an mit Ungeziefer bevölkertem Grün geholt hatten. Der Schweiß, den sie bei dieser Arbeit vergoß, tränkte ihre Unterkleidung, verstärkte ihre Körperausdünstung, bis sogar sie selbst merkte, daß sie stank. Am Stamm eines Nadelbaums klopfte sie die Bürste aus, richtete sich auf. »Lili, wir reiten, bis wir 'n Gasthof finden, und wenn's bis Mitternacht dauert.«
Sie trabten weiter, erklommen die nächste Erhebung durch weite beschwerliche Biegungen, dank deren es schien, als gewännen sie nur mit der mäßigen Geschwindigkeit einer Schnecke im Winter Höhe; dabei kamen sie an noch mehr fremdenfeindlichen Siedlungen vorüber, erbaut auf kleineren Tafelbergen, abgelegene, beinahe unerreichbare Ortschaften hinter abweisenden, kahlen Mauern, die der Seidenstraße völlig die kalte Schulter zeigten und so taten, als gäbe es sie gar nicht. Am Spätnachmittag umwehte stärkere Bewölkung die Gipfel, hielten selbst die geringe Wärme des schwachen, fahlen Sonnenscheins zurück; ein eiskalter, klammer Wind blies herab auf die Straße. Beharrlich zog Kori weiter, ritt und wanderte wechselweise, wanderte und ritt. Immer dunkler wurde der Tag. Endlich hatte sich die Sonne an den Horizont hinuntergeschlichen, am heutigen Abend entfaltete sie noch keinerlei Farbenpracht, man bemerkte bei ihrem Verschwinden bloß noch ein leichtes Dichterwerden der Dunkelheit. Zu guter Letzt gelangte Kori kurz vor Mitternacht zu dem Rasthof am Zugang zum Hochpaß.
Die Türen waren verriegelt, die Fensterläden geschlossen, der ganze Gasthof lag dunkel und stumm da. Korimenei hatte keine Laune zu rücksichtsvollem Auftreten oder feingeistigem Abwägen etwaiger Nachwirkungen. Mittels magischer Kraft schleuderte sie den Riegel aus den Haltern, stieß die Tür mit einem Tritt auf und stapfte hinein. Sie schuf ein Irrlicht, ließ es unter die dicken Deckenbalken hinaufschweben, wartete in seinem gespenstischen, bläulichen Licht, Ailiki auf der Schulter, die Kleinpferde drängten sich am offenen Eingang. »Heda, Wirtschaft!« rief Kori laut. »Hier ist Kundschaft. Bewegt den Hintern, oder ich mache dies Dickush zu Kleinholz.«
Der Wirt kam die Treppe herunter, hatte das Nachthemd in die hastig angezogene, ungeschnürte Hose gestopft, so daß die Schnüre herabbaumelten, trug eine Laterne, stellte sie auf den Schanktisch, als er das Irrlicht unter der Decke schweben und darunter Korimenei stehen sah. »Es ist spät«, sagte er. »Wir haben bereits Nachtruhe.«
»Wie's aussieht, hab ich den Betrieb gerade wieder aufgenommen. Ich wünsche ein heißes Bad, ein warmes Essen und ein Bett. Und daß meine Pferde versorgt werden. Morgen früh können wir die allgemeinen Tatsachen und höheren Deutungen des Offenhabens und Geschlossenhabens besprechen, solang's dir gefällt. Gegenwärtig bin ich müde und kurz an Geduld.«
»Zauberin.« Der Tonfall des Wirts legte nicht nahe, daß er von solchen Leuten eine gute Meinung gehabt hätte. Er zuckte die Achseln. »Ein Bad kannst du ohne Mühe haben, das Haus steht auf einer heißen Quelle. Eine Mahlzeit zuzubereiten, wird 'n Weilchen dauern und dich teuer kommen. Meine Frau arbeitet schwer und benötigt ihren Schlaf, du bist nicht der einzige Mensch heute nacht, der müde ist. Die Pferde bring selber in den Stall, stell sie dort unter. Das Hineingelangen dürfte dir nicht schwerfallen, gehst du so wie hier vor, du wirst's sogar müssen, wenn du den Burschen nicht wecken kannst. Ich wüßt's zu würdigen, jagst du ihm keinen derartigen Schrecken ein, daß sein Wachstum für ein Jahr aussetzt, er taugt soviel wie Spucke an einem heißen
Weitere Kostenlose Bücher