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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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und händigten ihnen die aus Ton gepreßten Anhänger aus, die ihnen für sieben Tage in der Stadt Freizügigkeit gewährten.
    Gegenwärtig jedoch saß, als Branns Barke anlegte, nur ein einziger Greis an dem Tisch. Er wirkte mißgelaunt, döste halb und war schmutzig; seine Fingernägel waren von getrocknetem Lehm schwarz, Dreck klebte in den Falten seiner Hände, jeden Zoll sichtbarer Haut bedeckte eine gelb-graue Schicht aus Schweiß und alten Ölen, und man sah von ihm reichlich Haut, denn er trug lediglich einen hellbraunen Wickelrock aus Schilfgewebe, aus Schilfkordel gewundene Armreifen sowie einen Brustschmuck zusammengesetzt aus faustgroßen Schilfkordel-Schnecken, die verknotet und verwoben waren zu heiligen Wahrzeichen. Als Brann, nachdem sie eine Stunde lang in der Warteschlange angestanden hatte, vor ihm stand, verschlug sein Gestank, der ihr ins Gesicht stieg, ihr beinahe den Atem; zum erstenmal, seit sie ihn übergestreift hatte, war sie froh über den Schleier.
    »Ich bin die Baiar-chich Kisli Thok«, sagte sie leise zu ihm, beantwortete anschließend die Fragen, die er in gleichgültigem Nölen an sie richtete. »Aus Dil Jorpashil. Das ist mein Sohn Cimmih Thok ya Tarral. Wir kommen um seine Heilung.« Jaril lehnte an ihr, sah hinfällig und leidend aus, schien aus nichts als Knochen und Glotzaugen zu bestehen, gab den Inbegriff eines übermäßig verhätschelten, kränklichen Jünglings ab. Brann zählte sieben Takks vor dem Ältesten auf den Tisch, die Gebühr für eine Einzelbehausung sowie den Ton-Anhänger. Den Tempel zu Havi Kudush aufzusuchen, war nicht billig.
    Indem seine Bewegungen immer, immer langsamer wurden, kritzelte der Greis Branns Auskünfte auf eine Papyrusrolle; als er fertig war, wischte er den Schreibkiel an einem bereits schmierigen Lappen sauber und beäugte ihn ausgiebig, nahm dann vom Gürtel ein kleines krummes Messerchen und schnitzte ein paar Schnipsel vom Kiel ab, spitzte ihn wieder genau im verordneten Maße zu. Er legte ihn hin, zog die aufgestapelten Silbermünzen zu sich heran und wog jede auf einer kleinen Waage. Sobald er sich davon überzeugt hatte, daß er nicht übers Ohr gehauen worden war, tat er die Münzen in eine Schatulle und blies auf einem winzigen Pfeifchen einen schrillen Ton. Hinter sich hörte Brann Stoßseufzer der Erleichterung; die geplagten, müden Pilger wußten, wie wenig es sich empfahl, sich zu beschweren, weil der Älteste sich soviel Zeit ließ, aber man konnte ihnen an ihrer Unruhe und ihrem Gestöhne den Verdruß anmerken. Dem Ältesten war nicht anzusehen, ob er davon etwas zur Kenntnis nahm, er schob sich nur das Tintenfaß näher und winkte den nächsten Wartenden an den Tisch.
    Ein Moorland-Knabe kam, führte Brann und Jaril zu seinem Fährboot, lud das Gepäck hinein; Brann sorgte sich, das flache Gefährt könnte unter ihrem Gewicht umkippen, aber aufgrund irgendwelcher Besonderheiten der Bauweise erzitterte es nur leicht, als sie einstieg, und sank lediglich ganz geringfügig tiefer ins Wasser. Der Moorland-Bube hüpfte vorn in seinen Bugkorb, stach den Staken in den Schlamm und stieß es ab.
    Zwischen kaum zwei Atemzügen beförderte er das in leuchtendem Rot gestrichene Fahrzeug hinaus aufs offene Gewässer des Gebiets, wo der Fluß aus den Marschen strömte; von da aus brachte er seine Fahrgäste in die verzweigten Wasserwege der Schilfinseln, lenkte den Kahn zwischen Garben und Büscheln zottigen Riedgrases mit fingerdicken Stengeln und spitzen Blättern durch träge, rötliche Fluten. Halb bestand das Schilf aus frischem Grün, nachgerade hart wie Bein und zweimal so hoch wie ein aufrechtstehender Mensch, halb aus abgestorbenen, welken Überresten, aus zerfleddertem Blattwerk und braunen Stengeln, die knickten oder sich krümmten, in den Schlick, aus dem sie aufgeschossen waren, nun zurücksanken. Das Schilf knisterte und raschelte im morgendlichen Wind, einem Wind, von dem Brann sich wünschte, sie könnte ihn fühlen. Zwischen den Halmen, überm Wasser, blieb die Luft — obschon das Fährboot sich zügig voranbewegte — still und stickig-schwül. Schwärme von Sumpfstechmücken schwirrten empor, wo immer es entlangfuhr, doch die Mehrzahl blieb zurück, bevor sie sich niederlassen konnte; anscheinend kannte der Knabe den Weg so gut, daß er ihn auch im Schlaf zu befahren vermocht hätte, stakte das Boot zu schnell für die Mücken vorwärts, wenngleich Brann nicht verstand, wie ihm so etwas möglich sein könnte. Ein mit

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