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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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in den Mulden der Scheinglieder, und mit seinen Schwingungen schien lautloses Gelächter in Jaril herüberzutönen. Jaril schaute wieder aufs Wandbrett. Der dem Frosch gleiche Gegenstand, der nun dort lag, war ein unbelebtes, glanzloses Ding, bedeckt mit einer Staubschicht. Jaril vollführte das geistige Gegenstück eines Schulterzuckens, schob den Frosch in eine scheinstoffliche Körpertasche und flitzte in den Belüftungsschacht.
    Er wechselte nochmals die Erscheinung und trat den Rückweg an, kam sich wie ein schwangerer Tausendfüßler vor. Gelegentlich blieb er stehen und erkundete mit seinen Sinnen die Umgebung, strengte sie aufs äußerste an, achtete auf jedes etwaige Anzeichen eines Alarms. Doch er beobachtete nichts besonderes, nur der Frosch in seinem Leib lachte vor sich hin, anscheinend fühlte er sich so wohl wie in der warmen Geborgenheit einer Gebärmutter.
    Jaril krabbelte zu einem Lichtschacht hinaus, sprang in den Wind, veränderte dabei abermals die Gestalt. Er entfaltete breite Schwingen, setzte sich gegen die starken abwärtigen Luftströme durch, die den Ziegelberg wie Wasser umwallten; es gab einen Augenblick, in dem er glaubte, er werde sich auf den Speerspitzen der schmiedeeisernen Zäune des Tempelgartens aufspießen, doch plötzlich erfaßte ihn eine Bö und verschaffte ihm Auftrieb, er segelte über die Mauer. Danach gelang es ihm, in einen zielstrebigen Flug überzugehen, und er schwirrte rasch zurück zu der Behausung, wo Brann wartete.
    Brann blickte auf, als Jaril mit einem Plumpsgeräusch in der Jurte eintraf, seine Jünglingsgestalt annahm. »Hast du ihn?«
    Jaril patschte sich auf den Bauch, widmete ihr ein engelgleiches Lächeln. »Ich würde ihn dir zeigen, aber ...«
    »Schon gut.« Brann rieb sich den Nacken. »Ich werde mir ein wenig Schlaf gönnen. Die Barke legt am frühen Morgen ab. Wecke mich rechtzeitig, ja, Schätzchen?«
     
    7 Mit schwerfälliger Gleichmäßigkeit schwamm die Pilgerbarke flußabwärts, diesmal beträchtlich schneller als auf der Hinfahrt, weil sie mit der Strömung trieb, nicht acht behäbige Ochsen sie zogen. Die Fahrgäste verhielten sich still, als sie Havi Kudush verließen, waren müde, ausgelaugt, sogar ein wenig niedergeschlagen, weil sie nicht bekommen hatten, was sie wollten, oder eben weil sie es erhalten hatten. Zwei Mutri-mabs befanden sich an Bord, aber sie hockten, in Decken gehüllt, nur herum, betrugen sich so mürrisch wie die Erschöpftesten unter den Pilgern.
    Brann und Jaril hatten ihren Platz mittschiffs, umgeben von anderen Pilgern; dieser Ring aus Menschen bot lediglich schwachen Schutz, blieb wahrscheinlich nutzlos, falls Amortis selbst nach dem rechten sah, doch mehr ließ sich nicht machen. Brann beachtete die restlichen Reisenden nicht, kümmerte sich ausschließlich um ihren >kranken Sohn<. Allerdings täuschte sie ihre Sorge jetzt nicht bloß vor; sie sorgte sich tatsächlich um Jaril. All seine Spannung war von ihm gewichen. Das konnte sie nicht begreifen. Der Verlust einer gewissen Anspannung wäre ihr verständlich gewesen. Sie hatten erlangt, was sie haben mußten. Eine andere Frage war, ob sie es schafften, es zu behalten. Bis sie den Talisman wirklich gegen Yaril ausgetauscht hatten, stand die Sache unsicher. Aber Jaril war völlig entspannt, dösig, matt wie ein satter Kater; er erregte den Eindruck, als ob der Talisman seinem Körper eine Arznei zuführte, ihn mit vollkommener Schlaffheit erfüllte, in einen Zustand versetzte, in dem von ihm wenig mehr übrig blieb als das Fleisch. Seine Laschheit und Verträumtheit vertiefte sich im Laufe der folgenden Tage sogar weiter.
    Am späten Nachmittag des dritten Tages erscholl auf Deck ein vielfaches Aufkeuchen.
    Golden kam Amortis, umwallt von durchsichtigen Gewändern, durch die Tark, ein Wind, den die Sterblichen auf dem Schiff nicht zu spüren vermochten, brachte ihr Haar ins Wehen. Tausend Fuß üppigen Weibs glänzten in der goldenen Nachmittagssonne.
    Brann duckte sich unter Kleidung und Schleier nieder, biß erbittert die Zähne zusammen. Offenbar hatte Amortis den Talisman vermißt und war nun nach ihm auf der Suche; zweifellos hatte die Nachahmung sich wieder in die Luft und das Licht aufgelöst, aus denen Churrikyoo sie geschaffen hatte. Jaril legte die Hand in Branns Hand, lehnte sich gegen sie. »Keine Bange, Muttchen«, flüsterte er.
    Keine Bange! Fast erstickte Brann an dem Auflachen, das sie unterdrücken mußte. Ein richtiges Lachen wäre es ohnehin

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