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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Abendanbruch blieb nicht mehr viel Zeit.
    Er knüpfte mit einigen Längen Strick und dem Woilach Zuggeschirr zusammen und knotete die Enden der Stricke an die vorderen Zipfel eines Stücks Segeltuch, das er eingerollt in einem Küchenschrank gefunden hatte, begann Holz zum Haus zu schaffen, alles was er auftreiben konnte. Er arbeitete mehrere Stunden durch, strebte hin und her, zerschlug Pfosten, Holzstangen, Reste des Stalldachs, Sparren, Bretter, alles wessen er habhaft werden konnte, zu Brennholz, stapelte es aufs Segeltuch und ließ Neddio die Haufen zum Haus ziehen, hin und her lief er mit ihm, der Wind setzte ihnen zu, immer dichter fiel Schnee, bedeckte alles. Endlich war kein Holz mehr übrig, das die Mühe des Beförderns gelohnt hätte.
    Simms schnitt das Segeltuch ab und brachte es in den kleinen Flur, dann führte er Neddio zu dem Schuppen und spannte ihn gewissermaßen an eines der Gefäße. Den Krug zu ziehen, erwies sich als langwierige/umständliche Tätigkeit. Wiederholt sträubte sich Neddio, ihm war es zuwider, wie ihm die Stricke ins Fell schnitten, und ohnehin mochte er kein solches Gewicht ziehen. Simms tätschelte ihn, redete ihm gut zu, sang ihm etwas vor, bewog ihn zu noch einer, einer nochmaligen und sogar abermals zu einer derartigen Anstrengung.
    Als er das Haus verließ, um auch noch den letzten Krug zu holen, hörte er ein Maultier schreien, einen Augenblick später ein zweites Maultier.
    »Besucher? Ja-ja, Neddio, du kannst 'n Weilchen verschnaufen, ich seh nach, was 's damit auf sich hat.« Simms streifte die dicken Arbeitshandschuhe ab, warf sie ins Haus, gab dem Pferd einen Klaps an die Schulter, wartete ab, bis das Tier sich in die lauere Luft des Wohngebäudes zurückzog, dann stapfte er in die Richtung, woher er die Laute vernommen hatte. Durchs Schneegestöber schlich er zur Mauer und an ihr entlang zu der Bresche. Er konnte, von seiner Nasenspitze an gemessen, ungefähr einen Fuß weit sehen, dahinter jedoch nichts mehr außer weißem Gewirbel erkennen, darum verspürte er keine Neigung, den Schutz der Mauer zu verlassen, es war allzu leicht möglich, im Schneetreiben den Überblick zu verlieren und nicht zum Haus zurückzufinden. Er verharrte in der Lücke, beugte sich in den Wind vor, lauschte. Die Maultiere befanden sich links seines Standorts, gar nicht weit von der Mauer entfernt, obwohl er sie nicht zu sehen vermochte. Er stieß einen Pfiff aus, pfiff noch einmal. Die Töne verklangen, ehe sie die Ohren der Maultiere erreichten, der Wind dämpfte und verwehte sie mit seinem Heulen. Pfeifen nützte also nichts. Er fing zu singen an, sang ein Locklied, das er als Kind von seiner fremdländischen Großmutter gelernt hatte. Sie war gestorben, als er erst sechs Lenze zählte, doch er erinnerte sich noch heute an ihre Lieder und die anderen Dinge, die er von ihr gelernt hatte. Er sang gegen den Wind an, sein Wille machte ihn den Maultieren hörbar, lockte sie her. Er sang, bis er heiser war — und zwei dunkle Umrisse durch das Schneegestöber kamen und vor ihm verhielten.
    Die Maultiere waren vor einen zweirädrigen Dulic gespannt, dessen Zügel herabbaumelten, über den Untergrund schleiften. Der Fahrer lag zusammengesunken, wie ein großer Sack, auf dem Kutschbock, war bewußtlos oder tot; doch gleichgültig, die Maultiere jedenfalls lebten, sie mußten unters Dach gebracht werden.
    Simms sang weiter, lockte sie immer näher heran, bis er ein Halfter greifen und die Zügel aufheben konnte.
    Auf der Zufahrt führte er die Tiere zum Wohngebäude, spannte sie aus, schirrte sie ab und trieb sie in die Stube, in die Ecke, wo er einiges Heu — es hatte unter einem erhalten gebliebenen Abschnitt des Stalldachs gelegen — aufgehäuft hatte, um es als warme Lager anzubieten. Er dachte kurz nach, dann nahm er Neddio das notdürftig angefertigte Geschirr ab und schickte ihn auch in die Stube. Der letzte Steinkrug konnte im Schuppen bleiben, bis sie ihn brauchten; falls es je dahin kam.
    Und jetzt der Kutscher, dachte Simms. Lebt er, oder ist er tot? Nun, wir werden es sehen.
    Es schauderte ihn, als er erneut in Wind und Schnee hinausstapfte, er erklomm den Dulic, stieg in das Gefährt. Er mußte sich durch etliche Lagen von Halstüchern und Umhängen wühlen, bis er die Finger an den Hals des Mannes legen konnte, und ein weiteres Weilchen dauerte es, bis er die Halsschlagader ertastet und die Fingerkuppen auf sie gepreßt hatte. Das Herz des Fremden schlug kräftig, aber er war sehr,

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