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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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dieser Überlegung, fuhr mit den Fingern über die Knochen, die im Gesicht des Mannes hervorstanden. Ein schöner Mann. Das dicke rauhe Haar war zu einem Zopf geflochten, der bis weit unter den Mantel reichte. Die Brauen waren dunkel, nur ein, zwei graue Haare konnte man darin sehen. Seine Wimpern waren lang und rußschwarz, lagen in anmutiger Schöngeschwungenheit auf der dunklen, glatten Haut, die sich straff über seine Wangenknochen spannte. Ein großer, starker Mann; und doch hatte Simms von ihm einen unmißverständlichen Eindruck der Hinfälligkeit, als wären seine Größe und Kraft nur vorgeschobene Trugbilder, hinter denen sich Hohlheit verbarg. Eine schöne Hülse, aber eben nur eine Hülse.
    Er drehte den Fremdling so auf den Bauch, daß er mit den nassen Haaren am Ofen lag, begann ihm die feuchte Kleidung auszuziehen, als erstes die Stiefel, anschließend Langstrümpfe, ein Paar Seidenstrümpfe und ein Paar gestrickte Socken, mit Pelz besetzte Fäustlinge, Seidenhandschuhe; einen mit Pelz gesäumten Umhang und einen mit Seide bestickten wollenen Mantel; ein Wollgewand auf der Brust, am Saum und an den Armelaufschlägen mit prächtigen Stickereien verziert. Ein seidenes Untergewand. Eine Hose aus Wolle. Seidene Leibwäsche. Wer er auch war, er mußte ein bedeutender, reicher Mann sein. Wieso durchquerte er im Winter allein die Steppe ...? Hu-hu, wach auf und erzähle mir alles, Mann, bevor ich aus Neugier platze!
    Er schöpfte Wasser aus dem Zinnbehältnis und machte sich ans Waschen des Fremden, nahm sich zuerst Hände und Füße vor, achtete sorgsam auf Frostbeulen, aber zu seiner Beruhigung waren keine vorhanden. Er begriff nicht, weshalb der Mann nicht erwachte, es bereitete ihm Sorge und zudem Ärger über die eigene Unwissenheit. Wäre man in seiner Familie nicht immer so feindselig gegen alles eingestellt gewesen, was auch nur im entferntesten nach Hexerei aussah, hätte er selber genug Antriebskraft und die Klugheit aufgebracht, um in die Welt hinauszuziehen und Unterweisung zu suchen, anstatt sich auf das Wenige zu beschränken, was er von seiner Großmutter gelernt hatte ... Wenn, wenn, wenn ... Sollte dieser schöne, schöne Mann sterben, wird es durch meine Schuld geschehen, meine Unkenntnis wird ihn töten. Er trocknete ihn ab, rieb und rieb ihn mit dem weichen, knubbligen Badetuch, das er in einer der Reisetaschen gefunden hatte, und trotzdem wachte er nicht auf, zwar sprach er auf Simms' Maßnahmen gut an, ähnlich wie eine Katze aufs Streicheln, es schien, als wüßte der Körper Simms' Behandlung zu schätzen und ließe sich darauf ein, so weit ein besinnungsloser Leib es konnte, aber zu Bewußtsein kam der Mann nicht.
    Simms faltete das Badetuch zusammen, schob es ihm unter den Kopf. Ich brauche für dich frische Kleidung. Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich deine Sachen durchsuche. Er berührte das Gesicht des Fremden, strich mit dem Zeigefinger über die vornehm-schönen Lippen. Wach auf, wach auf, wach auf... Simms seufzte und erhob sich.
    Der Küchentisch war voller Reisetaschen und Gegenstände, die er ihnen bereits entnommen hatte. Simms öffnete die Schnallen der Tasche, die vermutlich die Kleidung enthielt, die der Mann zum Wechseln mitführte. Tatsächlich befanden sich darin zu ordentlichen festen Bündeln zusammengerollte Kleidungsstücke. Simms schüttelte sie aus, wählte ein Gewand und legte es beiseite. Die Decken muß ich auch für ihn haben. Eine andere Tasche: Fleisch, Äpfel, zu Riegeln gepreßte, in eingeölte Seide gewickelte Trockennahrung. Er packte alles aus und legte es zur Seite. Eine große Ledermappe enthielt Papiere. Simms ließ sie unbeachtet, sie gingen ihn nichts an, zumindest vorerst nicht. Eine pralle Börse, in der es klirrte und klimperte. Simms öffnete sie. Jorpashiler Währung: Jaraufs und Takks. In einem eingeölten Seidenbeutel staken ein zweites Badetuch, etliche Stücke Seife sowie ein Fläschchen mit einer nach Kräuter duftenden Salbe.
    Simms beendete die Sichtung, kniete sich mit dem ausgesuchten Gewand und der Salbe neben den Fremden, rieb ihn von Kopf bis Fuß mit der Salbe ein, genoß es, ihn zu berühren, den kräftigen Kräuterduft. Er verkehrt in Kreisen, deren Luft ich noch nie geschnuppert habe, dafür spricht alles. Simms empfand süßen Schwermut, als er an die voraussichtliche Unmöglichkeit dessen dachte, was er begehrte. Sobald er mit dem Einreiben fertig war, wälzte er den Mann herum, breitete vorm Ofen eine Decke aus;

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