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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Zusammenhang, weil die Priester ausschließlich Männer sind und, soweit ich's feststellen kann, vom Angeketteten Gott stets ohne Berücksichtigung womöglich angeborener Gaben auserwählt werden. Du hast deine Begabung von deiner Ahnfrau Harra Hazhani von den Rukka Nagh geerbt. Ohne Zweifel gab es vor dir Frauen mit vergleichbarer Begabung, aber weil bei deinem Volk die Verhältnisse nun einmal so sind, wie sie sind, wurden ihre Gaben mißachtet und verkümmerten, ohne jemals genutzt zu werden.« Ihre Fingernägel trommelten auf das Pult, verursachten ein halblautes Rattern, ähnlich wie von einem Prasseln von weizenkorngroßem Hagel gegen ein Fenster. »Ein Greuel...« Sie legte die Hände flach aufs Pult, sah sie finsteren Blicks an. »Ich schweife ab ... Ich erkläre zuviel, obwohl's überflüssig ist. Schlimmer noch, es ist schädlich. Du wirst den Berg des Alten jenseits der Bucht ersteigen. Dort wirst du dir einen ausreichend abgeschiedenen, ruhigen Ort suchen. Drei
    Tage lang wirst du fasten und meditieren. Tu nichts. Nimm alles, was du erlebst, lediglich zur Kenntnis. Aber vergiß von alldem nichts. Das meiste wirst du gegenwärtig nicht verstehen, du weißt noch zu wenig über dich und die Welt. Nimm für den Augenblick hin, was ich dir sage, es beruht auf eigenen Erfahrungen, Kori Wartendes Herz. Du wirst dich immer wieder an diese Zeit erinnern, darin stets neuen Reichtum, neue Bedeutungen entdecken.« Sie straffte den Rücken, schaute an Korimenei vorbei. »Erneut erkläre ich zuviel. Allem Anschein nach übst du diese Wirkung auf mich aus, Jung Kori. Geh und handle.«
     
    Korimenei begann mit dem Fasten. Sie versuchte, das Gefühl des Verbundenseins mit Luft und Erde, mit Pflanzen und Tieren wiederzuerlangen, das sie für einige kurze Augenblicke als Geschenk hatte genießen dürfen, als sie auf dem Baumstumpf saß und die nackten Füße die Erde berührten.
    Die Sonne klomm höher, Falter tanzten in den Sonnenstrahlen, die über und hinter Kori durch das Laub der Bäume drangen. Sie wurde ganz sinnliche Empfänglichkeit, Wahrnehmung ohne Bewußtsein. Dann kam ihr das richtige Empfinden abhanden. Sie fand sich wieder hinein. Und verlor es nochmals. Und später abermals. Danach versank sie in Selbstzweifel und Mißstimmung. Rings um sie wichen die Schatten, gelber Sonnenschein, heiß wie Glut, kroch auf die Decke zu, breitete sich darauf aus, erfaßte Koris Knie, die Finger. Sie rieb sich die Augen, blickte hoch. Die Sonne stand fast genau über ihr. »Drei Tage«, sagte sie laut. »Drei Tage.«
    Sie schaukelte auf dem Gesäß hin und her, streckte die Beine, spannte und lockerte deren Muskeln, bis sie die Steifheit behoben hatte. Sie stand auf, reckte sich, zitterte dabei am ganzen Leib. Erst zwei Stunden waren vergangen, und schon erachtete sie die gesamte Übung als sinnlos, als eine Züchtigung von Körper und Seele, wie sie sie sonst nur Eiferer betrieben. Sie ließ die Arme sinken. Da bist du wieder soweit, du törichtes Mädchen, und äffst Settsimaksimin nach, dein angeblicher Verstand klopft Sprüche. Ihr Fasten hatte am Morgen mit einem Becher Fruchtsaft und einer harten Semmel angefangen. Sie litt Hunger, ihr Magen knurrte, und sie hatte das allesbeherrschende Gefühl der Entkräftung, das immer bei ihr auftrat, wenn sie zu lange nichts aß.
    Drei Tage, dachte sie, konnte sich gerade noch eine unflätige Bemerkung verkneifen, eine der vielen derben Redensarten, die sie gelernt hatte, während sie als aufsässiges kleines Mädchen im Hafen Silagamatiys' umherstreifte, anstatt im Bett zu liegen.
    Aus ihrem Ranzen kramte sie ein Becherchen hervor, füllte es aus dem Bach, setzte sich auf einen flachen Felsblock und ließ die Füße ins Wasser baumeln. An dieser Stelle floß der Bach durch eine langgestreckte Mulde des Abhangs, ab und zu nur störten das Schäumen von Blasen oder eine Forelle, die die Wasseroberfläche durchbrach, das gleichmäßige Rauschen und Plätschern. Kori trank aus dem Becher, beobachtete dabei, wie der klare kühle Bach, dessen Wasserspiegel glatt war wie Glas, über ihre bloßen Füße gluckerte. Die Sonne schien ihr heiß auf Kopf und Schultern; hinter sich konnte sie das Summen und Surren von Insekten hören. Koris Magen krampfte sich zusammen. Sie schloß die Augen und unterdrückte das flaue Gefühl mittels ihrer Willenskraft. Vorwiegend war es eine Folge der Einbildung, das wußte sie genau, doch anscheinend half es nicht, darüber Bescheid zu wissen. Drei Tage.

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