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Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Brann 03 - Das Sammeln der Steine

Titel: Brann 03 - Das Sammeln der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Rechnung lautete, daß er rund zehn Jahre lang in der Kapsel gelegen haben mußte. Er warf das Haar weg und begann weiterzukriechen. Zehn Jahre? Er knurrte den porös gewordenen Bodenbelag an, der unweigerlich, wo immer er eine Hand auf ihn senkte, in Bröckchen und Flöckchen zerkrümelte. Zehn Jahre Kälteschlaf. Und jetzt soll ich wohl ein lieber Junge sein, hä? Sonst steckst du mich noch einmal hinein, dann gehe ich womöglich dabei drauf, was? Den Spaß werde ich dir nicht gönnen, Freundchen. Solche Wut packte ihn, daß sie seinen Verstand fast umnachtete, seine Arme zitterten heftig, und er sackte auf den Boden, trockenes Schluchzen schüttelte seinen Körper.
    Seine Halbväter flüsterten ihm sarkastische Bemerkungen in die Ohren, verspotteten sein Leid als Übertreibung und Unfug, als Gejammer eines Hypochonders und verzärtelten Organismus, Gewimmer eines Waschlappens von Bürschlein, das es lieber hätte, verhätschelt zu werden. Er patschte die Handteller auf den Bodenbelag, stemmte sich hoch, kroch erneut los, schäumte innerlich vor Erbitterung; das Ärgerliche der hartnäckigen Lästigkeit seiner Vorgänger verdrängte seinen Zorn über die Lässigkeit, mit der sein Leben vom Angeketteten Gott riskiert worden war; er fragte sich, ob Daniel und Ahzurdan jemals wirklich voll mit ihm verschmelzen würden, so daß die hinderlichen Ketten zerbrächen, die ihn immer wieder in seine doppelte Vergangenheit zurückzerrten. Vor seiner Nase baumelte und wehte Haar, seine Gliedmaßen schlotterten, während er, immer an der linken Wand entlang, durch den Korridor krauchte.
    Mit einem Zischen öffnete sich eine Tür. Er verharrte, blinzelte, tastete sich in die Richtung der Tür und kroch in den dahinter befindlichen Raum, wo er mitten auf einem peinlich sauberen Teppich in verblichenem Blau niedersackte. Er lag da und dachte daran, sich noch einmal tüchtig zusammenzureißen und richtig ins Bett zu legen, doch sein Wille zum Weiterbewegen schwand ihm mit den Sinnen, und er sank in einen Schlaf, der an Ohnmacht grenzte.
     
    2 Im Laufe der folgenden zwei Wochen aß und schlief der Blaue Danny, unterdrückte das Gehampel seiner Vorgänger, wenn sie sich gegeneinander sträubten, erlangte sein früheres Gewicht und die alten Körperkräfte zurück. Und mit jedem Tag, der verging, nahm seine Ratlosigkeit zu.
    Er erinnerte sich daran, daß der Angekettete Gott im Sternenschiff allgegenwärtig gewesen war, überall ein phantastisches Klanggefüge erzeugt hatte: Kaskaden von Piepsern, Auf- und Abschwellen von Summtönen, Bongen und Gebänge, Klappern, Brummein, Gesäusel abgehackter Silben, Quietschen und Zwitschern, nur unterschwellig hörbares Stöhnen, bei dem sich Danny auf den Armen die Haare aufgerichtet hatten und es ihm in der Magengrube flau geworden war, eine Geräuschkulisse, die der Gott bei der Kommunikation mit seinen diversen Bestandteilen erzeugte. In den Unterkünften waren diese ununterbrochenen, im Raumschiff von vorn bis hinten vernehmlichen Geräusche nicht zu hören gewesen, aber damals, während er sie allein bewohnte, hatten ihre lautlosen Vibrationen trotz der Schallfilter die Räume erfüllt, er hatte sie in den Knochen gespürt. Jetzt fehlten diese Vibrationen, an ihre Stelle war eine Stille getreten, so unbestimmbar und undurchdringlich wie der vorgebliche Verstand des Gottes. In den Quartieren herrschte gänzliche Ruhe, ließ man einmal das Wispern der Luft in den Rohrleitungen, das fast unhörbare Ticken der Versorgungssysteme und die Geräusche, die Danny selber verursachte, außer acht. Der Gott war aus seinem Reich entschwunden.
    Anfangs beanspruchten die eigenen Bedürfnisse Danny zu nachhaltig, als daß er seine Abwesenheit bemerkt hätte, er verspürte lediglich ein vages Unbehagen, das jedoch zu schwach blieb, um ihn von der Beschäftigung mit sich selbst abzulenken. Erst als er nicht länger einem lebenden Skelett glich, fiel ihm die Stille auf, und er fing sich darüber zu wundern an. Und er begann sich Sorgen zu machen. In seinen gewöhnlichen Daseinsäußerungen war der Angekettete Gott unheimlich genug. Diese Stille jedoch war noch viel gespenstischer.
    Während er sich im Sportsaal abstrampelte, dachte er intensiv über die Situation nach. Was geht hier bloß vor? Was hat diese Ungeheuerlichkeit im Sinn? Er fummelte an den halb nutzlosen Kontrollen der Nahrungsautomaten. Guter Gott, ich muß von hier weg, das Raumschiff bricht demnächst unterm Gewicht des eigenen Schrotts

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