Brann 03 - Das Sammeln der Steine
schlenkerte, bot er ein Musterbild der Geduld.
Brann lachte und setzte sich zu ihm. Sie verschränkte ihre Beine zum Lotussitz und machte sich aufs Warten gefaßt.
Am anderen Ufer trat eine gedrungene Gestalt aus einer Hütte, verharrte an der Böschung, die Fäuste in die Hüften gestemmt, schaute herüber. Der Mann fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und spie in die Jeppu-Pflanzen; man merkte ihm seine Unlust deutlicher an, als wenn er sie herausgeschrien hätte. Er drehte sich um und sah zu einem
Erker der Stadtmauern empor, als sich ein Wächter in eine Schießscharte lehnte und ihm barsch auf sarosj, das Brann erst in Ansätzen zu verstehen anfing, etwas zurief. Der Fährmann spie noch einmal aus, klatschte die Rechte auf den linken Unterarm und kehrte dem Wächter den Rücken zu. Mißmutig schob er sich die Hände durchs üppige, gelockte Haar, schrie etwas Unverständliches hinüber zur Hütte und stampfte zur Fähre; er wartete, die Fäuste wieder in die stämmigen Hüften gestemmt, am land-wärtigen Ende des Gefährts, bis zwei Knaben aus der Hütte gelaufen kamen, schaute dann zu, wie sie die Vertäuung eines Langboots lösten und über den Graben ruderten.
Der Knabe am vorderen Paar Ruder musterte Brann mit lebhafter Neugier in den schwarzen Augen, aber stellte keine Fragen. »Einen Takk fürs Übersetzen«, sagte er.
»Mach dich nicht lächerlich. Für 'ne Fahrt in dieser lecken Nußschale sind drei Dugnas mehr als genug.«
Der Knabe lächelte unschuldig und honigsüß. »Unser Vater tät uns prügeln, baiar. Vierzig Dugnas.«
»Er sollte euch für eure Unverschämtheit verdreschen, pisra. Fünf Dugnas, aber nur, weil du das Lächeln eines Engels hast, wiewohl zweifellos die Seele eines Dämons.«
»Beachte die Ströme von Schweiß, die mich bedecken, baiar. Berücksichtige die Breite des Grabens. Und du hast dies gewiß sehr gefährliche Tier dabei. Dreißig Dugnas für beide.«
»Auf dir und deinem Bruder zusammen klebt nicht genug Schweiß, um nur eine Stechmücke in Versuchung zu führen. Sieben.«
»Zwanzig für dich, fünf für den Hund.«
»Zehn für mich, zwei für den Hund.«
»Abgemacht. Zahlung im voraus, baiar.« Der Knabe hielt die Hand auf; die Handfläche war schon schwielig vom vielen Rudern.
»Einverstanden. Macht Platz für den Hund, hmm?«
Nachdem der Jaril-Hund ins Boot gesprungen war, sich breitbeinig hingestellt hatte, erhob sich Brann, schob zwei Finger in ihre am Gürtel befestigte Börse und klaubte zwölf Dugnas heraus, zählte sie dem Knaben Münze um Münze in die Hand. Anschließend stieg sie steifgliedrig in das Langboot, hockte sich auf eine Ducht, der Jaril-Hund kauerte sich zwischen ihre Knie. Die Knaben begannen zu rudern.
Am anderen Ufer folgte Brann dem Hund auf die Landungsstelle und entfernte sich zügig, achtete weder auf den Fährmann und seine Söhne, noch schenkte sie dem Wächter irgendeine Beachtung, der ihr etwas nachrief, jedoch zu spät heruntergehastet kam, um sie noch abzufangen, ehe sie das Tor durchquerte und Dil Jorpashil betrat.
3 Im Laufe der ersten Woche verbrachte Brann die Nächte in Toreinfahrten, während Jaril Wache hielt; tagsüber suchte sie nach irgendeinem Unterschlupf.
Sie entdeckte eine leere Elendsbehausung am Rande des Kuna Coru, dem Viertel, in dem die Gesetzlosen wohnten, wenn sie nicht im Kerker saßen oder dank eines ungnädigen Arschrunzelns Tungjiis auf der Straße lagen. Die Bude bestand aus drei Zimmern, eines davon war eine Art von Kochstube; das Dach hatte Löcher, die Haustür ließ sich wegen der Schadhaftigkeit der ledernen Angeln nicht schließen, die Gehänge aus gegerbtem Schafleder an den Fenstern wiesen Risse auf oder fehlten völlig, doch die Mauern waren dick und fest, der Fußboden war fast unversehrt, um die Ecke befand sich ein Abtritt, den sie zusammen mit fünf anderen Haushalten benutzen konnte, und eine nahe Abzweigung des Aquädukts lieferte Wasser; es handelte sich um eine unrechtmäßige Ableitung, aber darum gab niemand etwas. Die Behausung bot Brann alle Nachteile einer Stadtwohnung und zudem eine wunderbare Vielfalt an Gestank und sonstigen kräftigen Gerüchen.
Brann zahlte dem zuständigen Caudhar die übliche Handsalbe, trieb ein paar Möbelstücke auf, ließ die Schäden am Dach beheben und den Fußboden ausbessern; dann zog sie ein. Ihre Nachbarn gehörten nicht zu den Leuten, die Fragen stellten, und Brann hielt — jedenfalls vorerst — ohnehin den Mund.
Nachdem sie
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