Brann 03 - Das Sammeln der Steine
sich eingerichtet hatte, begab sie sich in eines der Heiligtümer Sarimbaras, wo sie den ganzen Tag lang, ohne zu essen oder zu trinken, im Lotussitz ausharrte, den Blick so ausdruckslos wie die steinernen Augen der Sarimbara-Ikone. Das war die langweiligste Sache, die sie in ihrem langen Leben je durchgestanden hatte, doch sie hielt sie für eine Woche durch, weil ihre Anwesenheit im Heiligtum, wie sie mit ihrem Ruf als anerkannte Gottessucherin im Einklang stand, etwaige Beobachter von Jaril ablenkte, der dadurch ungestört als Falke über der Stadt kreisen konnte, nach irgendwelchen Hinweisen auf Yaril oder ihre Entführer forschte.
Am fünften Tag dieser stumpfsinnigen Zwischenfrist starrte Brann nach der Heimkehr aus dem Tempel in düsterer Stimmung einen Topf an, wartete darauf, daß das Wasser kochte, um eine Handvoll Reis und einiges zerkleinerte Gemüse hineinzugeben, als Jaril erneut von einem Rundflug zurückkehrte, der ebenso fruchtlos geblieben war wie die vorherigen Flüge. Das Kochen ödete sie nahezu genauso wie das Herumsitzen im Tempel an; es war Jahre her, daß sie sich selber um Mahlzeiten hatte kümmern müssen, in den zehn Jahren auf Jal Virri hatte sie es sich sparen können, weil die Hausfee sie damit verwöhnte. Sie hob den Blick, als Jaril sich auf einen wackligen alten Stuhl am ebenso verkommenen Küchentisch warf. »Du siehst aus, wie ich mich fühle.«
Jaril zog gehärtete Fingernägel über die Tischplatte, hinterließ im weichen, grauen Holz Furchen und erzeugte dabei ein scheußliches Schrammgeräusch. »Unser Vorgehen führt zu nichts.«
»Nichts?«
»Sag mir, wonach ich Ausschau halten soll. Außer nach Yaro.« Jaril schlug den Handteller auf den Tisch. »Brombeer, wir müssen etwas tun.«
»Was denn?«
»Das weiß ich nicht!« Jaril trat gegen ein Tischbein, sah zu, wie der gesamte Tisch ins Wanken geriet. »Ich weiß es nicht ...«
»Was hast du bisher eigentlich unternommen, Jay? Ich sehe dich ja nur noch an jedem dritten Tag für ein Augenblickchen.«
Ohne auf das bedrohliche Knarren des Stuhls zu achten, lehnte sich Jaril zurück, kreuzte die Arme auf dem Brustkorb und starrte finster ins Feuer, das im Ofenloch brannte. »Ich hatte mir überlegt, daß jemand, der eine derartige Falle zu stellen vermag, wahrscheinlich eine hochgestellte Persönlichkeit sein müßte, also machte ich mit den Nachforschungen in den Isun-Sars auf den Hügeln den Anfang. Ich entdeckte einige in den Sars wohnhafte Zauberer, von denen jedoch keiner auch nur annähernd an Maksims Rang heranreicht. Und ein paar Dutzend Hexer, aber Hexer befassen sich nicht mit anderen Wirklichkeiten, deshalb kennen sie sich vermutlich mit solchen Fallen nicht aus. Trotzdem habe ich sie mir gemerkt, falls es sein muß, kann ich in sie eindringen und in ihre Seele Einblick nehmen, bevor sie nur einen Hilferuf ausstoßen können.« Er lehnte sich noch weiter zurück und legte die Füße auf den Tisch. »Eine Zeitlang habe ich auch bei den Dhaniks herumgeschnüffelt, weil sie's sind, die in Wahrheit in der Stadt die Macht ausüben, ich habe mir die Richter, die Steuerbeamten, Tempelpriester und Stadtteil-Caudhars vorgenommen. Auch bei ihnen war nichts zu erfahren. Manche Dhaniks halten Magiebegabte in ihren Diensten, sorgen jedoch dafür, daß sie nicht mit ihnen in Verbindung gebracht werden.
Diese Magiebegabten wohnen mit den kleineren Händlern im Kuna Kirar. Ich habe mir von ihnen 'n Eindruck verschafft, es sind etliche Hexen zur Fernschau und zum Weissagen, einige Schamanen — hauptsächlich als Heiler — und ein paar Magier unterer Grade zwecks Erstellung von Schutzzaubern in den Verwaltungen und Sars dabei. Nach meinen Beobachtungen gebieten sie alle zusammen kaum über genügend Zauberkraft, um eine Öllampe zu entzünden. Außerdem habe ich in den Doulahars der großen Kaufleute nachgeforscht. Sie sind recht ähnliche Leute wie die Dhaniks, sie mieten Magiebegabte, möchten aber bei Tage nicht mit ihnen gesehen werden. Gestern und heute bin ich auf dem Großen Markt gewesen. Dort begegnet man vorwiegend einer entsprechenden Mischung. Es betätigen sich dort Straßenzauberer, die mit den Fingern schneller als mit ihren magischen Fähigkeiten sind, vor allem, wenn's um jemandes Börse geht, Kartenlegerinnen, Handleserinnen und Wahrsagerinnen, Krämer in Arzneien und Amuletten, Fluchkundige zum Aussprechen und Beheben von Verwünschungen, und niemand davon ist 'n Taubenschiß wert. Jeden dieser Horde, Slya
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