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Brans Reise

Titel: Brans Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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bedeckt waren. Überall kreisten Möwen und Seeschwalben und eine Menge anderer Vögel, deren Namen er nicht kannte, und wo die Wellen an die Felsen schlugen, stob die Gischt weit empor.
    »Wir dürfen nicht zu nah ans Ufer!« Hagdar klammerte sich am Bugsteven fest, der in den Wellen auf und ab schwappte. »An den Felsen gibt es Strömungen! Und die Wellen sind hier höher als draußen auf dem Meer!«
    Gwen hörte, was er sagte, und steuerte sie ein Stück weiter aufs Meer hinaus. Bran maß die Höhe der Wellen am Bugsteven. Sie waren gut zwei Mann hoch. Wenn sie hier die Gewalt über die Boote verlören, würden sie an den Felsen zerschellen.
     
    Sie hielten sich einen Pfeilschuss weit von den Klippen entfernt, bis die Sonne im Meer zu versinken begann. Da rief Hagdar wieder.
    »Ich habe einen Weg gefunden!« Er wandte sich den anderen Booten zu und deutete zum Land. Ein schmaler Schatten markierte eine Kluft in den Klippen. Davor brachen sich die Wellen an einem Schärenkranz, doch unmittelbar vor den Felsen war das Wasser ruhig.
    »Das muss der Schmugglerweg sein!«, brüllte Hagdar. Dann senkte er seine Stimme und sprach zu Bran. »Ich habe von einem Weg gehört, der durch eine Kluft in den Klippen führt. Er führt sicher am Blutsund und an dem Zollschiff vorbei.«
    Bran blinzelte zum Land hinüber. Gwen lenkte sie durch die Schären und bald schon erhoben sich die Klippen vor den Bootskörpern. Ein paar Möwen stürzten sich auf sie hinunter, ehe sie über das Meer davonglitten.
    »Sie haben jetzt Junge.« Dielan legte sich kräftig in die Ruder. »Deshalb greifen sie an.«
    Bran antwortete nicht, sondern ruderte weiter. Wenn Hagdar Recht hatte, führte sie die Kluft sicher an den Krettern vorbei, und dann mussten die Möwen die Störung ertragen.
    Je näher sie den Klippen kamen, umso stärker wurde der Geruch nach Tang und Muscheln. Wo die Felsen ins Meer fielen, wogte der Tang in der Strömung. Darüber wuchsen Meereicheln; sie bildeten einen weißen Gürtel entlang der Wasseroberfläche, in dem kleine Krebse und Seeigel Halt fanden und darauf warteten, dass ihnen das Hochwasser Nahrung vom Meer zuspülte.
    »Mir gefällt das nicht«, murmelte Dielan, als sie in den Schatten der Kluft kamen. Das Wasser war hier ruhig wie in einem Bergsee. Es stank.
    »Ihr braucht einen Ausguck«, sagte Hagdar. Er stand noch immer im Bug seines Bootes, knapp eine Körperlänge hinter ihnen.
    Bran gab Dielan das zweite Ruder, kroch unter das Segeltuch und kam am Bugsteven wieder zum Vorschein. Dort kletterte er auf das Dollbord und hielt sich an dem geschnitzten Wolfskopf fest. Erst jetzt erkannte er richtig, in was für eine Landschaft er das Felsenvolk geführt hatte. Auf beiden Seiten erhoben sich senkrechte Felswände. Ausgehend vom Mast des letzten Bootes mussten diese Wände gut zehn Mastlängen hoch sein. Die Überhänge oben an den Felskanten erinnerten ihn an die Schlucht, in der die Vokker sie angegriffen hatten. Die Kluft war kaum einen Steinwurf breit. Aber tief musste es hier sein, denn er sah weder Tang noch Steine auf dem Grund.
     
    Die Kluft schwang sich wie ein Fluss durch das Land. Jedes Mal, wenn sie einen Felsvorsprung umrundeten, kamen neue Klippen zum Vorschein, als könne sich das Land nicht entscheiden, wohin es mit all dem Wasser sollte. Als sie eine halb überflutete Höhle passierten, glitt etwas ins Wasser. Bran erkannte nicht, was es war, doch die Blasen, die neben den Booten emporstiegen, verrieten, dass etwas ihnen folgte. An manchen Stellen gab es kleine Kiesstrände, auf denen sich Tang und Muscheln den wenigen Platz teilten. Zwei riesige Schildkrebse hockten am Ufer und fraßen einen toten Seehund. Er hatte diese Tiere schon einmal gesehen, sie erinnerten ihn immer an Spinnen. Ihr schwarzblau gezeichnetes Rückenschild hatte die Länge eines Männerschenkels. Die Beine wirkten viel zu dünn, um den gedrungenen Körper zu tragen, doch sie schienen sich ohne jede Mühe vorwärts zu bewegen. Mit ihren kräftigen rechten Scheren hatten sie den Magen des Seehunds aufgetrennt und stopften jetzt Gedärme und Eingeweide in sich hinein. Bran hätte lächeln können, wenn er sich vor diesen Tieren nicht so geekelt hätte, denn sie hielten sich die Fleischstücke vor ihre Stielaugen, als wüssten sie nicht, was sie damit anfangen sollten, bis sie sie schließlich in ihre Kiefer schoben und zufrieden kauten.
    Als sich die Kluft plötzlich weitete und er die weiße Felswand direkt vor den Booten

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