Brasilien: Ein Land der Zukunft
dem Tage, da der Feiertag des Stadtheiligen Bomfim gefeiert wird. Dieser im Kalender nicht auffindbare Bomfim hat in Bahia eine eigene Kirche, die etwa anderthalb Stunden abseits der Stadt mit bezaubernder Aussicht auf einem Hügel liegt und während einer ganzen Festwoche den Mittelpunkt der verschiedensten Feierlichkeiten bildet. Rings um den weiten Platz werden die kleinen Herbergshäuser von den bürgerlichen Familien gemietet; man besucht sich dort, man plaudert, man speist im Kreise der Freunde, während das geräumige Viereck inmitten für die vielen Tausende bestimmt ist, die von der Abendmesse bis zur Morgenmesse hier unter den weißen, milden Sternen sich zu diesem frommen Anlaß in heiterster und ungezwungenster Weise zusammenfinden. Die ganze Front der Kirche strahlt in elektrischem Licht, und im Schatten unter den Palmen bauen sich unzählige Zelte auf, Speise und Trank zu bieten, im Gras kauern vor ihren kleinen Öfchen die schwarzen Bahia-Frauen, um mit ihren tausendfältigen billigen Leckereien das Publikum zu bewirten, und hinter ihnen schlafen, in weiße Laken gewickelt, inmitten des Getriebes ihre Kinder. Karusselle schwingen, es wird promeniert, getanzt, geplaudert, musiziert; von abends bis morgens, von morgens bis abends drängt das Volk heran, um durch die Messe ebenso wie durch ihre sorglose Freude dem Stadtheiligen ihre Reverenz zu erweisen. Aber die eigentliche, die unvergeßliche Zeremonie dieser Woche ist die Kirchenwaschung, die »lavagem [do Senhor] do Bomfim«. Charakteristisch schon für Bahia, wie dieser nirgendwo anders geübte Brauch entstanden ist. Die Kirche des Bomfim war ursprünglich eine Negerkirche. Und anscheinend hatte einmal ein Priester der Gemeinde aufgetragen, es gehöre sich doch, am Tage vor dem Fest des Heiligen die Kirche gründlich zu reinigen und den Fußboden mit Wasser zu scheuern. Die schwarzen Christen nahmen den Auftrag gerne an; welch eine gute Gelegenheit für die ehrlich frommen Gemüter, dem Heiligen ihre Liebe und Ehrfurcht zu erweisen! Sie wollten sie natürlich besonders gut fegen und scheuern, jeder war an dem bestimmten Tage zur Stelle, um der Ehre teilhaftig zu sein, dem guten Vater Bomfim sein Haus schön sauber zu fegen. Mit diesem durchaus frommen Bemühen begann es. Aber gemäß ihrem kindlichen, naiven Gemüt verwandelte sich dies Reinemachen der Kirche (wie jeder religiöse Akt) zum Fest. Sie rieben und fegten um die Wette, als wollten sie ihre eigenen Sünden abwaschen, Hunderte, Tausende drängten sich von nah und fern hinzu, immer mehr von Jahr zu Jahr. Und mit einem Mal war aus dem frommen Brauch ein Volksfest geworden, ein so stürmisches, ekstatisches, daß die Geistlichkeit Anstoß daran nahm und es abstellte. Aber der Wille des Volkes nach seinem Fest hat sich das »lavagam [do Senhor] do Bomfim« wieder erzwungen; heute ist es ein Fest der ganzen Stadt und eines der eindrucksvollsten, die ich zeitlebens gesehen.
Es beginnt mit einem Festzug, der durch die halbe Stadt den fast zweistündigen Weg nach der Kirche Bomfim zu pilgern hat, denn die ganze Bevölkerung will ihn sehen. Aber es ist ein richtiger Festzug des Volkes, nicht wie in Nizza heute der Karneval ein von Geschäftsleuten zu Reklamezwecken und vom Touristenbureau subventionierter; nichts rührender als seine Primitivität. Auf dem Platz vor dem Markte versammelt sich morgens die ungeduldige Menge zum Ausmarsch; und schon stehen die Lastautos vom Markt, die kleinen Eselkarren, die mit den billigsten Mitteln festlich drapiert werden, erwartungsvoll geschart. Ach, wie rührend primitiv ist dieser Schmuck! Dem Pferd wird die Spitzendecke vom häuslichen Bett umgeworfen, dem Lastwagen mit rotem, grünem, gelbem Seidenpapier die Räder umwickelt, dem Eselchen die Hufe mit Silberfarbe manikürt, den Fäßchen für die Waschung – ganz gewöhnliche Fäßchen vom Markt – mit goldenem Anstrich ein prunkvolles Ansehen gegeben; die ganze Ausstattung des Festzuges mag zehn Dollar schlimmstenfalls kosten. Aber doch wird er farbig und imposant durch die Bahia-Frauen, die in frommem Eifer die Krüge mit Blumen und die Fäßchen auf ihrem Haupt in der scharfen Sonne mit ihrer herrlichen Hoheit den ganzen langen Weg tragen. Prachtvoll sehen sie aus, diese schwarzen Königinnen, die sich zu ihrer farbigen Tracht für den festlichen Tag da noch ein Spitzentuch und dort noch eine klirrende Halskette geliehen haben, glücklich strahlend jede einzelne, mit ihrem frommen Gang zugleich dem
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