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Brasilien: Ein Land der Zukunft

Brasilien: Ein Land der Zukunft

Titel: Brasilien: Ein Land der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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1936)
    Stefan Zweig war sehr glücklich in diesen wenigen Tagen, so daß er Friderike spontan schrieb: »Und eines ist sicher, daß ich nicht das letzte Mal hier war. Ein Land für mich: göttlicher Kaffee (die Tasse etwa 5 Groschen), die herrlichsten Zigarren, die bezauberndsten Frauen, die schönste Landschaft. Wenn ich nur photographieren könnte, aber ich bin ja hier eine Art Charlie Chaplin. Und dabei sind die Menschen hier mit ihrer prachtvollen Feinfühligkeit schrecklich empfindlich (ein Dienstbote verläßt bei einem unfreundlichen Wort sofort die Stelle) – man muß also diese orientalische Höflichkeit immer erwidern.« Das tat er auch beim Abschied in der Akademie für Literatur, im offiziellen ›Dank an Brasilien‹, als er sagte: »Diese Fülle, diese Kraft, diese Schönheit Eures Landes, die besondere Güte und Gastlichkeit Eures Volkes, sie dringt auf jeden, der hier rasten darf, unwiderstehlich ein – ich spreche die Wahrheit, wenn ich sage, daß es schwer ist, hier nicht glücklich zu sein. Schönheit erheitert die Sinne, Güte beseligt die Seele, heller scheint dem Gast hier das Leben mit der helleren Sonne, und als ein großes, als ein unvergeßliches Geschenk nimmt man die Erinnerung an diese Tage mit.
    Vielleicht findet Ihr, daß ich Euch nicht richtig und nicht genug gedankt habe, meine verehrten Kameraden. Aber meine Worte sind nicht mein ganzer Dank. Ich will aufrichtig sein und Euch gestehen – ich will gar nicht meine ganze Dankbarkeit bei Euch in Eurem Lande lassen und dann zurückgehen, leeren und vergeßlichen Herzens. Nein, ich will diese Dankbarkeit in mir bewahren, sie hüten und pflegen, und ich weiß, sie wird eine immer wachsende und fruchtbare sein. Und wenn ich mir vom Leben noch etwas Schönes wünschen darf zu dem unerschöpflich Schönen, das ich hier gesehen und empfangen habe, so wäre es: – wiederkehren zu dürfen in dieses wunderbare Land!«

    Von Rio de Janeiro fuhr er, wie es geplant war, mit dem Schiff nach Buenos Aires zum PEN-Kongreß. Friderike gestand er: »Ich bin froh, daß die andern am Kongreß reden werden, so daß für mich Ruhe bleibt und ich im Schatten stehen kann, nach dem überstarken Licht in Rio. Ich lese höchstens privat zu Gunsten der Flüchtlinge aus jener Legende vor, um etwas Geld für sie einzubringen.« (5. September 1936) Für die deutschsprachige Delegation sprach der in der Schweiz lebende Emil Ludwig. Stefan Zweig widerstand allen Einladungen, vor diesem »›Völkerbund‹ der Literatur« (an Romain Rolland) öffentlich zu sprechen – nur vor dem jüdischen Hilfsverein in Buenos Aires hielt er seinen »Brüdern im Blute«, vermutlich statt der Vorlesung, eine Ansprache, in der er ihnen riet, aus dieser »neuen Prüfung« der Verfolgung »eine neue Gläubigkeit zu erschaffen und damit eine neue Kraft« (vgl. ›Eine Ansprache‹ in ›Die schlaflose Welt‹, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1983, S. 211–226).
    Hatte er auf der Überfahrt von Brasilien nach Argentinien beobachtet: »Alles arbeitet, notiert und gibt sich gegenseitig Ruhe – nur der politische Pessimismus entsetzlich », so hatte er zugleich einer Hoffnung Ausdruck gegeben: »Auf der Rückreise werde ich wohl auch für mich ein wenig arbeiten können.« (An Friderike, 5. September 1936) Tatsächlich formulierte er dann an Bord der ›Almanzora‹ während der Überfahrt von Buenos Aires nach Southampton »einige Artikel über Brasilien«, acht Reisebilder, die er 1937 unter dem Titel ›Kleine Reise nach Brasilien‹ für seinen Essay-Sammelband ›Begegnungen mit Menschen, Büchern, Städten‹ (Wien – Leipzig – Zürich: Herbert Reichner Verlag) zusammenfaßte; die Überschrift des ersten Artikels zeigt, für wen sie geschrieben wurden: ›Brasilien: Zuerst ein Nachhilfekurs für Europäer‹.
    Aber er bemühte sich auch um individuelle Vermittlung seiner Hoffnung, die er bestätigt gefunden hatte. So berichtete er Romain Rolland am 28. September 1936 noch von Bord des Schiffes: »heimkehrend von Südamerika, will ich Ihnen einige meiner Eindrücke mitteilen. Sie sind ausgezeichnet. Die Länder sind grundfriedlich, von der schrecklichen Geißel des Nationalismus noch nicht befallen, und zwischen den Menschen gibt es – dank dem Raum zwischen ihnen – weniger Haß. Man betrachtet uns in Europa als Verrückte: und sie haben ja recht; wenn man sieht, wieviel Erde noch verfügbar ist, versteht man nicht, warum die Leute sich an unser Europa

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