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Brasilien: Ein Land der Zukunft

Brasilien: Ein Land der Zukunft

Titel: Brasilien: Ein Land der Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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können. Berthold Viertel stellte er die Intention hierzu in einem Brief vom 11. Oktober vor: »Sie kennen meine Klarheit und glauben mir hoffentlich, wenn ich Ihnen sage, daß dies Land eines der wundervollsten Erlebnisse ist, das heutzutage ein Mensch haben kann. Nicht nur das Landschaftliche, nicht nur die Menschen, die noch von der alten Kultur durchdrungen sind und für die jede literarische Leistung hundertmal mehr gilt als alle politische, nicht nur weil die Zeitungen, die Leute in den hohen Ämtern ganz geschlossen auf der Seite Englands sind und die Zeitungen die kleinste gute Nachricht mit Riesenlettern aufmachen, sondern weil hier die Absurdität jedes Rassenunterschieds mit einer Selbstverständlichtkeit täglich demonstriert wird, die uns täglich wieder wunderbar vorkommt. Beim Militär, in der Schule, in den Ämtern sind Neger und Farbige und Weiße freundschaftlich beisammen, keine Scham, ja sogar ein Stolz, Blut von Indianern und sogar Negern in sich zu haben. Brasilien ist das größte Experiment unserer Zeit in diesem Sinne, und deshalb schreibe ich auch jetzt ein kleines Buch über Brasilien. Wenn sich – und ich hege keinen Zweifel daran – dieses großartige Experiment vollkommener Rassenmischung und Farbgleichsetzung hier in diesem Lande weiter so vollendet bewährt, dann ist der Welt ein Vorbild demonstriert. Und nur die Vorbilder helfen im moralischen Sinne, nie die Programme und Worte.« Stefan Zweig war guten Mutes.
    Aber da erreichten ihn Nachrichten aus Europa, die ihn aufs äußerste beunruhigten: England drohte die Invasion durch die deutschen Truppen, London wurde bombardiert. »Ich glaube, ich werde nie wieder zurückkommen in dies Europa«, schrieb er Anfang November aus Argentinien an Friderike, die sich inzwischen mit ihren Töchtern und Schwiegersöhnen aus Frankreich in die USA hatte retten können. Hinzu kam das Bewußtsein seines 59. Geburtstages: »Du hast wenigstens noch zwei Jahre vor dem Sechziger, während ich zum letzten Mal den Fünfziger erwarte. Als ich mich hier jüngst und plötzlich für eine Identitätskarte eintragen mußte, schrieb das hübsche Fräulein dort ›Haare: grau‹. Kein Wunder«, klagte er Friderike.
    Stefan und Lotte Zweig wohnten in Rio im Hotel Central. Es war Dezember, Sommer in Südamerika. »Es ist furchtbar heiß geworden, was an der Arbeit hindert aber das eine hat, daß ich endlich Gewicht verliere. Ich reise nun in noch größere Hitze, nach Bahía, Pernambuco, Belém (am Amazonenstrom), um dort 10 Tage zu bleiben (ich brauche es für das Buch und habe bis an die Grenze die teure Reise frei).« (An Friderike, 31. Dezember 1940) In ›Dank an Brasilien‹, der Abschiedsrede von 1936, hatte er gesagt: »Ich hatte als Knabe mit heißen Wangen von den Wundern des Amazonasstroms gelesen« – »nun stand er an dessen Mündung oder vielmehr an einer seiner Mündungen, die jede sich ihm mächtiger offenbarte als alle Flüsse seiner österreichischen Heimat. Alles Reisen in Brasilien empfand Zweig als Entdecken und Verzichten zugleich« (Wolfgang Kießling).
    Drei Wochen, bis zum 11. Februar 1941, blieben Stefan Zweig und seine Frau Lotte nach ihrer Rückkehr in die USA im Wyndham-Hotel. Doch dort fand er keine Ruhe für seine Arbeit. Deshalb suchten sie sich ein ruhigeres Quartier und fanden es im Taft-Hotel in New Haven in Connecticut; das hatte für ihn den Vorteil, in unmittelbarer Nähe der Yale-Bibliothek zu sein. Nach weiteren drei Wochen schloß er dort das Manuskript seines Brasilien-Buches ab und schickte es sogleich an Abrahão Koogan (Guanabara) in Rio de Janeiro, an Gottfried Bermann Fischer in Stockholm, an Ben Huebsch (Viking) in New York und an den Verlag Espasa-Calpe Argentina in Buenos Aires, damit die Ausgabe möglichst gleichzeitig in den verschiedenen Sprachen erscheinen konnte. Dies geschah dann auch im September 1941.
    Stefan Zweig fiel in den Wochen nach Fertigstellung der Hommage an das geliebte Land in immer düsterere Stimmung. »Ich bin sehr traurig. Du weißt, ich habe eine schwarze Leber und ein weitsichtiges Auge; während ich unter dem Heute leide, sehe ich gleichzeitig die Sorgen des Morgen. Sogar der Sieg wird uns alle durch die Zuckungen der Nachkriegswelt verdorben werden …« (An Victor Fleischer, 25. Juni 1941) Auch die Arbeit, vor allem an der Autobiographie, konnte ihm über diese depressive Phase nicht hinweghelfen. Seine Unruhe nahm zu, wurde zur Unrast. Er zog mit Lotte weiter nach Ossining,

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