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Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Schleiergewändern warteten, die enttäuschenderweise ausblieben.
    «Was die Sache mit Maria angeht», versuchte der alte Herr zu erklären, als der kratzige argentinische Tischwein und die knoblauchduftende Köstlichkeit der Ente ao tucupi ihre Zungen gelöst und eine entspannte Stimmung geschaffen hatten, «so glaube ich, daß sie die bescheidene, aber unzweideutige Bezahlung als Haushälterin den sehr viel ungreifbareren Belohnungen einer Ehefrau vorzog. Ich mußte sie ständig drängen, Geld für sich auszugeben – für Kleider, Frisuren, Maniküre, Kuraufenthalte – und ihr kam jede solche Anregung wie ein versteckter Tadel vor, als fände ich sie gewöhnlich, schlampig, schlecht gekleidet und zu dick – was, ehrlich gesagt, auch stimmte. Trotzdem hätte es ihr freigestanden, meine Vorschläge zu ignorieren, sie hätte sie befolgen oder es bleibenlassen können, wie sie es ja auch vor unserer Eheschließung mit mir gehalten hatte. Aber seit ich ihr Gatte geworden war, hatte ich mich zu einer Last für sie entwickelt, so als wäre ich ein Teil ihrer selbst, über den sie keine Kontrolle hatte, wie ein Krebsgeschwür. Mein Rauchen zum Beispiel, über das sie nie auch nur ein einziges kritisches Wort verloren hatte, wurde jetzt zu einer Quelle von Sorge und Belästigung für sie und ein Gegenstand ständiger Nörgelei. Sie wurde, ehrlich gesagt, auf vielen Gebieten zu einer Nörglerin, während sie früher so wohltuend gleichgültig gewesen war. Mit keinem der Hausmädchen, die ich statt ihrer einstellte, war sie zufrieden; sie waren unehrlich, liederlich, achtlos, intrigant, strohdumm – die Liste war endlos, keine stellte sie zufrieden, ich gab einen Laufpaß nach dem anderen, fast jede Woche, so kam es mir vor. Dazwischen aber, wenn Maria die Pflichten, die früher die ihren gewesen waren, vorübergehend selbst erfüllen mußte, warf sie mir vor, daß sich durch ihre Heirat nichts für sie verändert hätte, außer, daß sie nun keinen Lohn mehr bekam. Sogar der Sex zwischen uns – verzeih mir, Isabel, wenn ich solche Details erwähne, aber du bist ja inzwischen selbst eine erfahrene Ehefrau – wurde widerwillig und verkrampft von ihrer Seite, während sie früher noch der herrischsten Aufforderung mit größter Hingabe begegnet war. Es war, als hätte sie die brutale Macht des Arbeitgebers auf eine Art und Weise erregt, wie es die vielschichtige Gestalt des Ehemannes nicht vermochte. Auf den Zettel, den sie bei ihrem Verschwinden für mich zurückließ, hatte sie in ihrer ungeübten, aber schön geformten Handschrift nur einen Satz geschrieben: ‹Es ist mir einfach zuviel.›»
    «Tristão und ich finden», wagte sich Isabel, von seiner Klassifizierung als erfahrene Ehefrau gekitzelt, weit vor, «daß es uns beim Sex manchmal hilft, wenn wir so tun, als wären wir völlig Fremde, die nur der Zufall in einem Zimmer zusammengeführt hat.»
    Ihr Onkel wirkte nervös und peinlich berührt angesichts dieser Enthüllung. Isabel fuhr erbarmungslos fort: «Auch Frauen hassen die Tyrannei des Sex und den Zwang, aus etwas, das die Natur vielleicht nur als leidenschaftliche Episode gewollt hat, eine feste, dauernde Bindung zu machen. Frauen und Männer leben in völlig verschiedenen Welten – ihre Paarung ist wie der Augenblick, in dem der Vogel einen Fisch fängt.»
    «Soviel ich weiß», sagte der pragmatische Tristão, «ha ben Sie Maria geschlagen?»
    «Nur ganz selten», behauptete der frühere Dandy eilig und ohne seine Verlegenheit verbergen zu können. «Ein- oder zweimal vielleicht, in der Wut meiner jungen Jahre. Die Frauen, mit denen ich mich einließ, waren zermürbend kokett, und ich brachte meine Enttäuschungen mit nach Hause zu der einzigen meiner Geliebten, die treu und verläßlich war.»
    «Es könnte doch sein», schlug Tristão vor, «so pervers es auch klingt, daß sie Ihren Verzicht, sie nach der Eheschließung weiter zu prügeln, als ein Zeichen fehlender Zuneigung gedeutet hat und daß das spröde Verhalten, das Sie beschrieben haben, Sie zum Gebrauch Ihrer Fäuste provozieren sollte. Die Armen legen sich ein so dickes Fell zu, daß die liebende Berührung herzhaft sein muß.» Isabel spürte, daß er bei diesen Worten an seine Mutter dachte, ihr fühlloses Verhalten ihm gegenüber rechtfertigen wollte, und sie liebte ihn dafür.
    Ehe Onkel Donaciano das Thema wechseln konnte, nützte Isabel die Gelegenheit zu einer Frage: «Tante Luna – warum hat sie dich verlassen? Was glaubst

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