Brasilien
die Intensität ihrer Liebe zahlen mußten. Das Feuer ihrer Seelen verzehrte die natürlichen Folgen der Vereinigung in ihren Körpern. Ob er bei anderen Frauen Vater geworden wäre – oder es tatsächlich geworden war, so daß vielleicht in irgendeinem Dschungel irgendwo ein kleiner brauner Tristão mit leuchtenden Glupschaugen durch die empfänglichen ersten Jahre seines Lebens tappte –, war eine Frage, die sie allenfalls abstrakt interessierte, als Teil einer anderen Geschichte. In der Geschichte, die ihre eigene war, die ihr Leben ausmachte, das ihr jetzt mit immer beängstigenderer Geschwindigkeit vorbeizurauschen schien, verspürte sie ein gewisses Mitleid mit Tristão, der ihr, so als hätte damals auf der Copacabana sie ihn und nicht er sie angesprochen, als ihr Opfer erschien. Sie hatte einen hellen Bikini getragen, mutig für jene Jahre, der sie aus der Entfernung fast nackt erscheinen ließ. Und natürlich war sie es gewesen, die sich mit einem Zauberer zusammengetan hatte, um ihn weiß zu machen, damit er von ihrem Vater akzeptiert und in die Lage versetzt würde, ihr ein angenehmes Leben zu bereiten. Von mir droht dir keine Gefahr, hatte er ihr am Strand versichert, obwohl etwas Bedrohliches, ein verzweifelter Freiheitswillen von ihm ausgegangen war. Aber hatte sie eine Gefahr für ihn bedeutet? Allein die Klaglosigkeit, mit der er jeden Morgen in seinen grauen Anzug schlüpfte und in seinen grauen Mercedes aus zweiter Hand stieg und durch das wuchernde Labyrinth der Großstadt zu der Fabrik in São Bernardo hinausfuhr, flößte ihr ein Schuldgefühl ein, das sie manchmal, wenn sie abends von einer Essenseinladung oder einer Opernaufführung nach Hause kamen, zu einer unvermittelten Frage drängte:
«Vermißt du eigentlich die Freiheit und die Aufregung von früher, ehe du mich getroffen hast?»
Er unterbrach sich dann beim Ablegen seiner tadellos gebügelten Kleidung, räumte die Manschettenknöpfe und die Krawattennadel in die kleine Schublade der Spiegelkommode, in der er solche Accessoires aufbewahrte, und ging mit der gewohnten, herzzerreißenden, feierlichen Aufmerksamkeit auf ihre Frage ein. «Ich habe das Leben eines streunenden Hundes geführt», sagte er. «Es hätte nur ein paar Jahre gedauert, und ich wäre umgebracht worden, entweder von der Polizei oder von einem anderen streunenden Hund. Erst als ich dich gefunden hatte, gab es eine Hoffnung und ein Ziel in meinem Leben. Selbst die mörderischen Jahre in der Goldmine konnten mir nichts anhaben, weil ich dich hatte, zu der ich jeden Tag nach Hause kam. Erinnerst du dich, wie ich in der Abenddämmerung hinter der Hütte saß und Steine klopfte und in der Waschpfanne nach Goldkörnern suchte, während du drinnen unser Abendessen zubereitet oder das Geschirr gespült oder unsere Kinder ins Bett gebracht hast? Ich bin nie glücklicher gewesen, Isabel.»
«Sag das nicht, Tristão!» rief sie, während Tränen in ihr aufstiegen und ihr so heftig in die Augen schossen wie ein Samenerguß. «Mach mich nicht besser, als ich bin! Ich habe dich in einen Roboter verwandelt! Diese Arbeit, die du jetzt machst – ganz ehrlich, ist sie nicht sinnlos und öde? Haßt du mich nicht dafür? Ganz ehrlich?»
Seine Stimme blieb leise und beherrscht, frei von Leidenschaft, was vielleicht eine subtile Bestrafung sein sollte. «Nein, meine Arbeit ist sehr interessant. Ich habe mit Menschen zu tun, mit Männern und Frauen – obwohl Frauen in Führungspositionen noch eine Seltenheit sind –, die auf ein gemeinsames Ziel eingeschworen werden müssen, auf ein Ziel, das Zukunft heißt. Wir erleben das Ende der Epoche, in der es Herren und Sklaven in Brasilien gab, und ich, der ich beides war, kann in meinem kleinen Tätigkeitsbereich einen Beitrag dazu leisten. Was deine zweite Frage anbelangt, so wäre es das Ende meines Lebens, wenn ich dich haßte. Eher würde der Amazonas bergauf in die Anden fließen, als daß ich dich hassen könnte. Du bist meine Liebessklavin, meine blauäugige negrinha .»
Und er trat auf sie zu in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer mit seinen Zierkissen und Vorhängen und den gerahmten Schnappschüssen von Urlaubsreisen und von den Kindern in Schuluniformen und blieb unmittelbar vor dem satinbezogenen Hocker stehen, auf dem sie am Frisiertisch saß, und zeigte ihr das Zelt in seiner Hose und ließ sie die Wärme und die Härte seiner Yamswurzel durch den schwarzen Smokingstoff hindurch erfühlen, erst mit den Fingerspitzen und dann mit
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