Brasilien
Hochofen, schuftete Tristão noch zwei weitere Stunden, bis er genügend Muttergestein über und unter dem Schimmer weggekratzt hatte, um das Nugget mit einem Schlag seines Pickels zu befreien. Denn es war ein Nugget, was er da in der Hand hielt, ein rauher und doch geschmeidiger Brocken aus Gold, Inbegriff des Reichtums und viel schwerer, als es ein gleich großes Stück Stein gewesen wäre. Vielleicht vier mal zehn Zentimeter groß und etwa achtzig Gramm schwer, zeigte es Ansätze zu einer menschenähnlichen Gestalt – eine Art Bauch, eine Zweiteilung, aus der sich vielleicht Beine entwickelt hätten, und einen gesichtslosen Kopf. Es war ein Idol, es war heilig. Es hatte kleine Krater auf seiner Oberfläche, wie der Mond. Aufgewühlt ließ er es von einer Hand in die andere gleiten und versuchte, seinen Glanz sogar noch vor dem Himmelsviereck oben zu verstecken. Wenn irgendeiner von den Tausenden von Männern, deren Summen er auf allen Seiten hörte, davon erfuhr, war er seines Lebens nicht mehr sicher. Sein Kopf wollte ihm zerspringen; seine Atmung war so schnell und flach wie bei einem Vogel. Er sank auf die Knie und dankte Gott und den guten Geistern. Die himmlische Hand, die Schicksale formt, hatte sich wieder nach ihm ausgestreck t und sein Leben berührt.
Die Arbeitsuniform auf der Serra do Buraco bestand aus Shorts, T-Shirt, Sonnenhut aus Stroh oder Plastik und hochgeschnürten Basketballschuhen für das ständige Auf- und abklettern – Tristãos neue Cowboystiefel hatten sich mit ihren glatten Sohlen als unpraktisch erwiesen (außerdem drückten sie) und seine Tennisschuhe aus dem Busbahnhof waren zu dünn. Außerdem trugen die Männer kleine Beutel um ihre Hüften geschnallt, in denen sie Goldkörner sammelten, bis es sich lohnte, sie einzuschmelzen, in Geld umzutauschen und auf der Bank der Kooperative einzuzahlen. Tristão fürchtete, daß das Nugget seinen Beutel zu sehr ausbuchten würde; also mischte er es statt dessen unter die anderen Steine in seinem Sechzig-Pfund-Sack und trottete mit dieser Last nach Hause, als erwarte ihn nichts anderes als die tägliche Routine aus Steineklopfen, die Waschpfanne schwenken, Reis und schwarze Bohnen essen, die Kinder zu Bett bringen, in Isabels schmutzigem Wasser baden und erschöpft zusammenbrechen.
Als er den Sack vor Isabel hinstellte und öffnete, durchzuckte ihn für eine tödliche Sekunde die Angst, das Nugget wäre verschwunden. Durch sein Gewicht war es auf den Boden abgesunken, und auch äußerlich konnte man es kaum von den anderen, wertlosen Bruchstücken des Berges unterscheiden. Nur seine Schwere gab es preis, und endlich hatte Tristão es herausgefischt. Ein paar energische Bewegungen des Daumens rieben genügend Kieselstaub von der Oberfläche ab, um den Glanz des rohen Goldes sichtbar werden zu lassen.
«Wir sind reich», sagte er zu seiner Frau. «Du brauchst nicht mehr tagsüber aus dem Haus zu gehen und dich in den Maniküresalons herumzutreiben. Vielleicht können wir uns eine Farm in Paraná kaufen oder ein kleines Haus am Meer in Espírito Santo.»
«Das könnte meinen Vater auf unsere Spur bringen», sagte sie.
«Was schert es uns? Wir haben ihm Enkelkinder geschenkt. Habe ich nicht in all diesen Jahren bewiesen, daß ich ein treuer Ehemann bin?»
Sie lächelte über seine Naivität. So wie sie darauf bestanden hatte, seine unwürdige Mutter zu lieben, hegte er eine pathetische, nur von Haßausbrüchen unterbrochene Hoffnung, daß ihr unbarmherziger Vater sich eines Tages erweichen lassen und zu dem Vater werden würde, den er nie gehabt hatte. «Er wird sich nicht so leicht besänftigen lassen, Tristão. Er hat das Gefühl, daß er die Elternpflichten nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine tote Frau erfüllen muß, das macht ihn so fanatisch. Er will das Beste für mich. Du bist der Beste, aber das sieht er nicht. Er kann nur mit seinen alten Augen sehen, den Augen der weißen poderosos, den Augen der alten Sklavenhalter, der Plantagenbesitzer.»
«Wie düster du sprichst, Isabelinha – als wäre das Vergangene noch Gegenwart. Die Arbeit in den Maniküresalons hat dich zynisch gemacht. Du bist bitter geworden. Es ist lästerlich, ein Gottesgeschenk mit Mißtrauen zu betrachten. Umarme mich: Unsere Jahre in dieser Grube haben eine Frucht getragen, einen Schatz!»
In seinem Eifer, Isabel zu küssen, drückte er den Goldklumpen dem kleinen Azor in die Hand. Der Winzling ließ ihn fallen, und zwar auf seine nackten
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