Brasilien
Landvermesser rufen», drohte der zappelnde Aquiles, «und die Polizei und Rechtsanwälte!»
Tatsächlich verklagten sie ihn, und der Rechtsstreit, der sich monatelang hinzog, erregte die Aufmerksamkeit der überregionalen Presse. Das Nugget, das immer wieder aus seinem Refugium im Safe der Bank hervorgeholt und fotografiert wurde, war das größte und reinste, das in der Serra do Buraco je gefunden worden war, wenn auch nicht ganz so groß wie einige der Goldklumpen, die man 1851 im australischen Busch ausgebuddelt hatte. Eine neue Woge von Gier und Hoffnung überschwemmte Brasilien, ausgelöst von den Nachrichtenmedien. Eine Reporterin von O Globo kam und fotografierte Tristão und Isabel in ihrer Hütte: Isabel beim Baden in der Blechbadewanne, von Schaumflocken züchtig verborgen bis auf die nackten Schultern und Arme, ein feucht schimmerndes Wadenstück und einen zierlich gewölbten Fuß; und Tristão mit seinem bleichen, plumpen Sohn und der rötlich angehauchten kleinen Tochter auf dem Arm, die Augen unter der noblen, hohen Stirn schimmernd wie zwei schwarze Murmeln bei seinem scheuen Blick in den Abgrund des Objektivs.
Der Fotograf, ein untersetzter und zerknitterter Mann mittleren Alters, der viele Kameras um den Hals baumeln und eine Menge Witze zur Erzeugung eines fotogenen Lächelns auf Lager hatte, und die Reporterin, eine intelligente und progressive junge Frau, deren gertenschlanke Beine in Netzstrümpfen steckten, waren so entwaffnend und liebenswürdig gewesen, daß es allen Regeln der Gastfreundschaft in der Wildnis widersprochen hätte, sie nicht freundlich aufzunehmen und sich in jeder Pose fotografieren zu lassen, die sie vorschlugen. Für die eine Stunde, die sie in der Hütte verbrachten, wirkten diese Eindringlinge wie Familie – wie Verwandte aus der Großstadt, die, einer Laune folgend, nach Goiás gekommen waren, um die Provinz mit ihrem weltläufigen Charme zu beglücken – und überhaupt nicht wie die Spitze des sich immer tiefer in ihr Leben drängenden Keils der öffentlichen Schaulust. Natürlich war Isabel wachsam genug, den direkten Fragen der Reporterin nach ihrer Herkunft auszuweichen, und Tristãos Straßenjungen-Gewitztheit ließ ihn ein Lügenmärchen über seine Eltern erfinden, deren er sich schämte. Aber die Fotos, in Schwarzweiß aufgenommen, sprachen Bände. Tristão und Isabel, wie sie auf Seite drei von O Globo aus ihrer blitzlichtgrellen Bretterbude starrten, waren eines mehr von jenen Paaren, deren verblüffte, gealterte Gesichter und mitleidheischend schäbige Verhältnisse von einem seltsamen Glückszufall aus der Masse namenloser Armut ins Licht emporgezerrt werden wie ein Fisch an der Angel. Goldgräber streiten um Riesennugget, lauteten die Schlagzeilen, oder: Reichtum mit Hindernissen für Paar ohne Heimat. Immer neue Reporter von immer anderen Zeitungen folgten, und Tristão war zuvorkommend zu allen. Diese Invasion konnte ihnen gefährlich werden, überlegte er hoffnungsvoll, aber genausogut konnte sie den Durchbruch bringen.
Eines Tages kam er in der Abenddämmerung von der Arbeit nach Hause und fand einen silbernen Schatten vor, einen Mann in einem grauen Anzug, der auf einem der beiden Stühle der Hütte saß. Sein erster, beschämender Gedanke war, daß Isabel ihren Geschäften nun zu Hause nachging, doch dann erkannte er, daß der Mann mit dem betrübten Gesichtsausdruck, den grauen Schläfen und dem penibel gestutzten Oberlippenbart niemand anderer als César war. Isabel stand verängstigt am Herd, der fette Azor klebte an ihrer Hüfte, und ihre Haare hingen offen bis zur Taille hinunter. Cordélia lag in ihrer Lattenkiste und weinte im Schlaf. «So finde ich dich wieder, mein Freund», sagte César und brachte beiläufig seine graue Pistole zum Vorschein, deren Lauf er höflicherweise nicht auf Tristão, sondern zur Seite gerichtet hielt. «Im Schoß einer ganz anderen Familie – einer selbstgezeugten diesmal. Meine herzlichsten Glückwünsche!»
«Und wo ist Virgílio?» fragte Tristão. «Spielt er immer noch den Rechtsaußen bei den Moóca Tiradentes?»
César lächelte gequält. «Nachdem du ihm den Laufpaß gegeben hattest, ist Virgílio … versetzt worden.»
«Warum verfolgt ihr uns? Wir stören hier niemanden.»
«Das stimmt nicht ganz, mein Freund. Trotz all seiner beklagenswerten Disziplinlosigkeit ist Brasilien nicht ganz ohne Wertmaßstäbe, ohne Traditionen, ohne Ordnung. Du störst, um nur ein Beispiel zu nennen, meinen
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