Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brasilien

Brasilien

Titel: Brasilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
versiegelt hatte. Dann wärmte ihr Mann, der grau war vom Steinstaub, die Wanne mit einem frischen Eimer wieder auf und badete nun selbst in dem von ihr verschmutzten Wasser, bis seine schimmernde Schwärze wiederhergestellt war. So reinigten sie sich und machten sich bettschwer und sanken schließlich unter flüchtigen und innigen Berührungen in den Schlaf wie zwei Ertrinkende, die auf hoher See Abschied voneinander nehmen.
    Selbst in den Tagen, da sie sich mit Leidenschaft und unaufhörlich geliebt hatten, war Isabel nicht schwanger geworden. In ihrem zweiten Jahr auf der Serra do Buraco war sie es, und die ganze Hütte bebte unter diesem wundersamen Ansturm der Natur. Wochenlang mußte sie sich jeden Morgen übergeben, dann wurde sie dick und träge, und ihr Bauch schwoll so stark an, daß die Haut darüber spannte und glänzte und Tristão ganz benommen war vor lauter Liebe zu ihr, zu ihrer unerbittlichen Verdoppelung. Das Baby kam (ihre Fruchtblase platzte um Mitternacht, und der erste Schrei erscholl, als das Morgengrau die ersten Konturen aus der Dunkelheit der Hütte schälte), und es war ein Junge mit blauen Händchen, die knitterig waren wie gerade entfaltete Blüten und mit Genitalien, die einer noch geschlossenen Knospe glichen. Schüchtern schlug sie vor, ihn Salomão zu nennen, nach ihrem Vater, aber Tristão, aus seiner goldbetäubten Trance aufgescheucht, protestierte mit leidenschaftlichen Gebärden und beteuerte, daß ihr Vater sein Todfeind sei. Nachdem er seinen eigenen Vater nicht kannte, akzeptierte er schließlich ihren zweiten Vorschlag, den Namen Azor, nach dem Wasserschwein aus Plüsch, das sie als Kind geliebt hatte.
    «Unser Baby sieht sehr hell aus», bemerkte er eines Tages.
    «Alle Babys fangen mit heller Haut an», erklärte sie ihm. «Die Hebamme sagt, daß sie den ganzen Hautfarbstoff in einer kleinen Tasche unten an der Wirbelsäule haben. Von dort verteilt er sich dann über ihre ganze Haut.»
    Doch die Tage vergingen, und der Säugling wurde fett von Isabels Milch, und seine schwabbeligen Glieder gewannen an Kraft, nur an der Haut war keine nennenswerte Verdunkelung zu bemerken. Tristão hielt den schuldlosen Fleischklumpen im Arm und starrte in sein helles Gesicht hinunter – Azor gurgelte ihm entgegen und streckte eine besabberte, sternenförmige Hand nach dem vertrauten schwarzen Gesicht aus, das vergeblich nach einem Schatten Afrikas, nach dem kleinsten Tropfen von dunklem Blut inmitten von Isabels Weiß fahndete. Hilfsweise wies Isabel auf die flachgedrückte Nase des Kindes hin, auf die auswärts gewölbten kleinen Ohren oder die eckige und ziemlich streng wirkende Stirn, in der sie Tristão zu erkennen glaubte. Ihr nächstes Kind, ein Mädchen, das vierzehn Monate nach Azor auf die Welt kam, war dunkler, aber es kam Tristão so vor, als läge ein Schimmer von indianischem Rot über diesem dunklen Teint. Und das Haar des kleinen Mädchens war zwar schwarz wie sein eigenes, aber vollkommen glatt. Er hatte nichts dagegen, daß Isabel das Kind Cordélia nannte, nach ihrer Mutter, an die sie sich kaum noch erinnern konnte. Sie empfand es in gewisser Weise als persönlichen Triumph, zwei Entbindungen überlebt zu haben, während ihre Mutter bei der zweiten gestorben war.
    Die Neuankömmlinge erfüllten die Hütte mit der unschuldigen Ausschließlichkeit ihrer Bedürfnisse, mit ihren Schreikrämpfen und ihren Stürzen, ihrem Bauchweh und Erbrechen, ihrem Hunger und ihren Exkrementen, und sie ließen den Erwachsenen nur geringe Zweifel über die Richtung, die das Schicksal ihrem Leben gewiesen hatte. Die Natur selbst sagte ihnen, warum sie zueinander gefunden hatten. Die Kooperative der Maniküresalons organisierte eine alte Frau, eine zahnlose Tupi-Indianerin, die von ihrem Stamm verstoßen worden war und sich nun für ein paar Stunden pro Tag um die Kinder kümmerte, damit Isabel wieder ihrer Arbeit nachgehen konnte. Der Name dieser Vervollständigung ihres Haushalts, die mittags kam und abends ging und niemals preisgab, wo sie schlief, war Kupehaki.

17. Das Nugget
    Das gewaltige Summen der Goldmine: das Hacken der Pickel und die dumpfen Schläge, mit denen immer längere Leitern und stabilere Stützwände zusammengehämmert wurden; das ziellose Reden und Singen der Männer, die im Gänsemarsch über die schlammigen Rampen zu den Waschrinnen und den Abraumhalden hinaufzogen, die sich an den Flanken der Serra do Buraco auftürmten wie ein neuer Berg, der sich von dem

Weitere Kostenlose Bücher