Brasilien
vortrefflichen Auftraggeber.»
César, der sich als Höfling in den Diensten von Isabels Familie fühlte, mußte schon geraume Zeit in seinem verlogen-väterlichen Tonfall mit Isabel geplaudert haben, denn er war ganz unpassend entspannt, ein wenig träge und selbstverliebt, und seine Pistole war ziellos auf den gestampften Lehmfußboden gerichtet. Er rechnete nicht damit, daß ihm Tristão seinen Sechzig-Pfund-Sack voller Steine mit aller Kraft, die ihm die tägliche Arbeitsfron verliehen hatte, ins Gesicht schleuderte, so daß er rückwärts taumelte und einen zerbrechlichen, selbstgebauten Stuhl aus weißem Mahagoniholz niederriß.
Während Isabel kreischte und Azor vor Vergnügen an dem Tumult auflachte, schnellte sich Tristão mit einem mächtigen Satz auf Césars Brust und schmetterte den größten der Steinbrocken aus dem aufgeplatzten Sack in einem entschlossenen Stakkato von Schlägen gegen die Seite seines Kopfes. Das verzerrte Gesicht des älteren Mannes wurde schlaff, und seine Augenlider schlossen sich mit einem Zittern. Seine graue Schläfe war jetzt blutverschmiert. Er war zu alt geworden für Jobs wie diesen.
Tristão drückte Isabel Césars Pistole in die Hand. «Wir müssen verschwinden. Pack deine Sachen zusammen und mach die Kinder fertig. Ich schaffe ihn inzwischen weg.»
«Er lebt noch», protestierte Isabel.
«Je nun», sagte Tristão nur, in seiner Stimme eine Spur von Césars zum Schweigen gebrachter Melancholie, der überlegenen Melancholie jener, die die Oberhand haben. Der Mann war schwer, schwerer als drei Säcke voller Steine zusammen, aber Tristão, der sich vom Schicksal an einen neuen Scheideweg gestellt sah und die erregte Ruhe eines Adrenalinstoßes in sich spürte, stemmte den Körper mit Leichtigkeit auf seine Schultern.
Draußen war es Nacht geworden, noch ohne Mond, erst mit wenigen Sternen am Himmel. Ein paar Schritte oberhalb ihrer Hütte war eine Brücke mit glitschigen Steinstufen über den Bach geschlagen worden; auf der anderen Seite schlängelte sich ein schmaler, uneinsehbarer Weg ins Ufergebüsch. Die garimpeiros und ihr Anhang suchten diesen Ort auf, wenn sie ein größeres Geschäft zu erledigen hatten, und so glitt Tristãos Fuß immer wieder auf unsichtbaren, weichen Kothaufen aus, deren verhärtete Kruste, sobald sie aufgebrochen war, einen stechenden Gestank entweichen ließ, der ihn noch viele Schritte weit verfolgte. Vermischt mit den streifenden Liebkosungen von Palmwedeln und -zweigen, schnitten die schimmernden, rundlichen Blätter eines Gestrüpps, das er nicht kannte, in seine Haut. Wenn er vom Weg abkam, stachen ihn Dornen. Er fürchtete, daß César erwachen und ihn zu einem weiteren Handgemenge zwingen würde. Seine Schultermuskulatur, so gestählt sie auch war, begann zu flattern. Aber das Laubwerk wurde lichter, der Mond war aufgegangen, und er konnte jetzt besser erkennen, wo er sich befand. Wie eine ferne Burg sah Tristão, in strahlend erhellter Silhouette, die Gesteinsmühlen der Kooperative, wo das erzhaltige Geröll aus den Säcken zermahlen und ihm dann auf chemischem Wege, mit Hilfe von Quecksilber und Zyanid, das Gold entzogen wurde. Tonnen um Tonnen von Abraum hatten im hohlen Rücken der Serra do Buraco einen zweiten Berg wachsen lassen, über dessen puderig-graue Abhänge aus Abfall, aus verdautem und wieder ausgeschiedenem Stein, Tristão den bewußtlosen César nun hinabschleppte. Niemand wagte sich hierher, in die steil abstürzenden Täler dieser von Menschen geschaffenen Wildnis. Selbst Schlangen und die roten Ameisen ließen sich hier nicht blicken.
In einer weit abgelegenen Mulde, die das kräftiger gewordene Mondlicht mit fahlem Weiß übergoß, ließ Tristão seine Last fallen. César stöhnte im Koma, und selbst durch dieses Stöhnen klang auf unheimliche Weise der typische Tonfall dieses Mannes hindurch, eine halb ironische, gestelzte Väterlichkeit, mit der er seine gnadenlose Machtausübung bemäntelte. Sanft zog Tristão den massigen, würdevollen Schädel an seinem dichten, grauen Haarschopf nach hinten, so daß sich in der weichen Höhlung unter Césars Kiefer, neben dem sichelförmigen Schatten des Ohrläppchens, seine Drosselvene anspannte und gleichfalls einen Schatten im Mondlicht warf. Hinter dieser Vene, das wußte Tristão, verbarg sich ihr hellerer, röterer Bruder, die Halsschlagader. Er zog seine Rasierklinge, die treue Freundin Diamant, aus der Innentasche seiner Shorts, gleich unter dem Gürtel, wo sie
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