Brasilien
ausgeweideten alten nährte; das gelegentliche Aufflackern von Schreien, wo eine Prügelei begann oder ein Erdrutsch die terrassierten Claims verschüttete – dieses vielstimmige Summen war Tristãos Element geworden. Fern von diesem großen, umgekehrten Bienenstock, und sei es bei Isabel und den beiden Kindern, fühlte er sich spannungslos und unvollständig und schuldig, als betrüge er seine eigentliche Frau, die Versucherin Gold. Dieses Gefühl, daß er erst in der Goldmine ganz zu sich selbst kam, steigerte sich noch, sobald er in seinem eigenen kleinen Schacht untertauchte, dem säuberlichen, tiefen Loch auf einer Grundfläche von anderthalb Metern im Quadrat, das er mit Pickel und Schaufel in den Fels getrieben hatte.
Der Claim, der links an den seinen anschloß, hatte ein ganzes Jahr lang brachgelegen, bis er von einer Gruppe von Brüdern und Vettern aus dem Bundesstaat Alagoas übernommen worden war, den Gonzagas, die sich in Teamarbeit mit rasantem Tempo in die Tiefe gruben und den Einzelkämpfer Tristão bald überholt hatten. Auf einer Seite seines Schachts war es schließlich nur noch eine dünne Wand aus Stein, die ihn von Luft und Sonne trennte. Aber er war nach wie vor auf allen Seiten übermannshoch vom Fels umgeben, in den er sich verkriechen konnte, in dem das Summen zu einem fernen Gemurmel verebbte und der Himmel zu einem kleinen, blauen Viereck schrumpfte, durch das die Wolken hetzten wie Schauspieler in einem Drama, gesehen durch einen halbgeöffneten Bühnenvorhang. Die völlige Abgeschiedenheit ließ ihn an die schreckliche Einsamkeit des Grabes denken, aber sie hatte auch etwas Erotisches an sich; es war nicht kühler in den Tiefen seines Claims, sondern ein wenig wärmer als draußen, so als nähere er sich allmählich einem der heißen Geheimnisse der Natur.
Seit einigen Tagen hatte er bereits eine gewundene, helle Ader verfolgt, die sich in der linken Wand nach unten erstreckte. Sie changierte ins Rötliche, in genau jenen Farbton, der als der vielversprechendste galt, denn Gold wurde meistens in Nachbarschaft zu seinen Brüdern, Kupfer und Blei, gefunden. Wenn die Erde errötete, so hieß es unter den garimpeiros, dann ließ das Gold die letzten Hüllen fallen, das nackte Gold in seinem Glanz.
Sein Pickel attackierte den Stein, Schlag um harten Schlag. Beide Spitzen des Werkzeugs waren stumpf geworden und blank poliert von der ständigen Abnutzung; in seinen drei Jahren in der Grube hatte er drei solcher Pickel verbraucht. Er hackte, was unbequem und anstrengend war, in seitlicher Haltung, weil sich die rötlich-helle Ader von ihm wegbog, hinein ins Innere des Steins. Es fühlte sich an, als würde die Spitze des Pickels einer Rundung an einem Frauenkörper folgen, hinter der sich, halb schon erspäht, die geile, pelzige Spalte verbarg. Er bekam eine Erektion, was ihm in der Abgeschiedenheit seines Claims immer wieder passierte. Die sexuelle Energie, die er bei Nacht, mit Isabel, nicht zu mobilisieren vermochte, überfiel ihn hier am hellen Tag, wenn er seinen Pickel in das Felsgestein trieb. Manchmal wichste er sogar, vom viereckigen Himmelsauge über sich beobachtet, aber er stellte sich immer den Körper seiner Frau dabei vor – er selbst allerdings, die spritzende Yamswurzel umklammernd, war nicht ihr Ehemann, sondern einer ihrer brutalen Kunden, der auf ihre Brüste spuckte, sobald er fertig war.
Mit einem neuen, seitlichen Hieb legte sein Pickel ein Glitzern frei – wenn ihn seine vom schlechten Licht und dem feinen Staub irritierten Augen nicht trogen. Er ging auf die Knie hinunter und drosch wütend auf die Felsenspalte ein, bis das Glitzern breiter wurde. Über ihm zogen Wolken mit grau ausgefransten Schleiern vorüber, die sich zu Fäusten ballten und wieder öffneten. Das Summen des ihn umgebenden riesigen Steinbruchs drang nur gefiltert über den Rand des Schachts, der ihm allein gehörte. Als die Sonne in das Himmelsviereck trat und ihre Strahlen bis auf den Grund der Grube sandte, wurde die gestaute Luft so heiß wie Isabels Badewasser. Aber dafür konnte er besser sehen. Binnen einer Stunde, in der seine rasende Attacke die Geröllhaufen hinter ihm wachsen ließ und die Haut rund um seine scharrenden Fingernägel in blutige Fetzen verwandelte, hatte er ein Flachrelief der glitzernden Region freigelegt. Der Klumpen hatte einen satten, rötlichen Schimmer, nicht silbern und schuppig wie Pyrit, der Betrüger.
Mit zusammengekniffenen Augen, als blicke er in einen
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