Brasilien
«Herr, könnten meine Kinder –», die Stimme brach ihr in der schmerzenden Kehle, «könntet Ihr und Eure tapferen Krieger meine Kinder retten?»
Der Hauptmann der bandeira neigte sich wie ein liebevoller Vater zu ihr. «Die Guaicurus sind stark an Zahl, und sie sind reißend wild», sagte er betrübt. «Wir zählten dreimal so viele Häupter als jetzt, ehe unsere Kämpfe mit den Guaicurus begannen.»
«Und mit ihren Brüdern im Satansdienst, den Paiaguás», ergänzte der eifrige José, der unter seinem dicken Lederpanzer höchst unvorteilhaft schwitzte. «Die haben keine Pferde, sondern Kanus, in denen sie über das Wasser huschen wie Vögel! Sie können schwimmen wie die Fische, und ihre Macheten halten sie dabei zwischen den Zähnen!»
«Hat denn dieser Mohr», erkundigte sich Antônio, dessen Bernsteinblick und spitzer Bart mit einem Druck auf Isabel gerichtet waren, der sie an die schräge, knotige Stirn ihres Vaters erinnerte, «dieser angebliche Ehemann von Euch, die Kinder nicht verteidigt, die doch ebenso die seinen waren wie die Euren?»
Es war kaum der richtige Moment, um zu erklären, daß Tristãos Vaterschaft an beiden Kindern nicht über jeden Zweifel erhaben war. Die Konfusion des Überfalls – die wie Larven in das Moskitonetz gehüllten Kinder, der Guaicuru mit seiner rotblauen Bemalung, die dünnen, weißen Knochen in seinen Lippen – stand ihr mit grauenhafter Deutlichkeit vor Augen, als sie antwortete: «Er hat es getan. Er hat einen von den Angreifern erschossen, aber es waren zu viele, und sie hatten die Kinder schon weggeschnappt.»
«Erschossen, sagtet Ihr?»
José unterbrach: «Bei ihren Habseligkeiten haben wir diesen Mechanismus hier gefunden, Sire. Er scheint höchst kunstreich angefertigt, und wir haben ihn zuerst für ein holländisches Spielzeug oder eine italienische Tabaksdose gehalten, bis die nähere Untersuchung zeigte, daß es sich um ein Pistol handelt, aber ganz ungewöhnlich klein gebildet, von eckiger Gestalt und auch ohne Radschloß.»
Er reichte ihm Césars Pistole. Antônio inspizierte ihre seidig-glattpolierten Oberflächen, zielte dann mit einer gönnerhaften Geste, wie sie einem altmodischen Musketier wohl anstand, knapp über die Köpfe der Versammlung und zog am Abzug. Der peitschende Knall des Schusses und der singende Flug der Kugel durchquerten das langgestreckte Gebäude, ohne ein sichtbares Loch in dessen Palmenblätterdach zu hinterlassen. Sichtlich belustigt, feuerte der Hauptmann abermals, dann erklang nur noch ein leises Klicken. Die beiden Patronen, die Tristão für sich selbst und Isabel zurückbehalten hatte, waren verbraucht. Nun mußten sie leben.
«Du hast wahr gesprochen, Bruder, es ist ein Kinderspielzeug. Der Lauf faßt nicht einmal genügend Pulver, um einen beija-flor zu erlegen.»
Antônio wandte sich wieder zu Isabel und sprach in einem Tonfall, gegen den es keine Berufung gab: «Dieser schwarze Sklave ist nicht länger Euer Gatte, teures Kind. Sklaven dürfen keine Ehe eingehen. Aber verzweifelt nicht. Ich bin ein einsamer Mann, und wie Sie beizeiten merken wird, ist nicht alles an mir so alt, wie’s den ersten Anschein haben mag.»
Tristãos verstocktes Schweigen neben ihr klang ihr wie Donner in den Ohren, wie das Schlagen ihres eigenen, verblüfften, unbeirrten Herzens.
22. Das Dorf
Der alte Hauptmann der bandeira nahm Isabel zur Frau – zu seiner dritten Frau, da sich bereits zwei Indianerinnen, Takwame und Ianopamoko, um sein Wohlergehen kümmerten. Die beiden schienen sich nicht im mindesten daran zu stören, daß Isabel sich ihrem Haushalt zugesellte: Zwei zusätzliche Hände nahmen ihnen Arbeit ab, und was die Dienste in Antônios Bett betraf, so wurden sie im ersten Jahr fast ausschließlich von Isabel versehen. Am Ende dieses ersten Jahres war sie schwanger und kam im zweiten mit einem bernsteinäugigen Sohn nieder, den sie Salomão nannte, weil sie hoffte, daß einmal ein weiser Mann aus ihm würde, und auch ihrem Vater zu Ehren; vielleicht konnte sie auf diese Weise den Zorn, mit dem er sie verfolgte, besänftigen. Als sie die Nachricht von ihrer Entscheidung zu Tristão schmuggeln ließ – was Ianopamoko besorgte, die jüngere der beiden indianischen Konkubinen, die sogar noch jünger als Isabel und eine zarte Schönheit vom Stamm der Tupi-Kawahib war, mit einem hüftenlosen, zylindrischen Rumpf und schlanken, grazilen Gliedern –, setzte Tristão ein höhnisches Grinsen auf und verfluchte seine Frau. «Das
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